Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Das Kabinett der Hardliner

Freitag 20.August.2021 - 06:20
Die Referenz
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Die Staatspropaganda bezeichnet das neue iranische Kabinett als „jung, motiviert und revolutionär“.  Tatsächlich gehören die vorgeschlagenen Minister der Hardliner-Fraktion an, die dem Westen sehr kritisch gegenübersteht.  Einige haben eine besonders schlimme Vergangenheit.

Wie Welt berichtet :seit mehr als zwei Wochen ist er offiziell im Amt - und inzwischen hat der neue Präsident des Iran, Ebrahim Raissi, den Abgeordneten seine Ministerkandidaten vorgestellt.  Bisher hat das Parlament den Erhalt der Liste nicht bestätigt, aber viele Medien haben sie bereits veröffentlicht.  Darauf steht kein Name einer Frau, was für viele Beobachter nicht unerwartet war.

  Raissis vorgeschlagenes Kabinett ist in erster Linie jung, wie Ayatollah Khamenei empfohlen hat.  Die Tageszeitung „Kayhan“, die direkt an den Obersten Führer des Landes berichtet, bezeichnete sie als „jung, motiviert und revolutionär“.  Daher kann man auf seinen Erfolg hoffen.

Nicht nur beim Alter entspricht Raissis Kabinett den Empfehlungen Khameneis. Fast alle vorgeschlagenen Minister gehören politisch zur Hardliner-Fraktion der Islamischen Republik. Die meisten haben kaum Regierungserfahrung. Während man die Minister von Hassan Ruhani, dem Vorgänger Raissis, als Pragmatiker und Technokraten bezeichnen konnte, sind Raissis Kandidaten eher Fundamentalisten, sie verstehen sich als religiöser.


Dem Westen gegenüber vertreten sie eine härtere Haltung. Unter den 19 vorgeschlagenen Kabinettsmitgliedern haben nur drei Erfahrungen auf Ministeriumsebene – alle drei unter dem umstrittenen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der für seine besonders harte Israel-Feindlichkeit bekannt ist.

Rostam Ghasemi zum Beispiel, der zukünftig das Ministerium für Stadtentwicklung führen soll, leitete in Ahmadinedschads zweiter Regierung das Ölministerium. Das war damals in einen der größten Korruptionsfälle des Landes verwickelt. Vor Gericht wurde er aber nur als Zeuge befragt und nicht als Beschuldigter. Ghasemi hat, wie viele andere auf Raissis Liste, eine Vergangenheit in der Revolutionsgarde.
Für das wichtige Innenministerium hat Raissi Ahmad Vahidi vorgeschlagen, Mitglied der Revolutionsgarde während des Iran-Irak-Krieges. Der 63-Jährige war zwischen 2009 und 2012 unter Ahmadinedschad Verteidigungsminister. Seit der Gründung der Kuds-Eliteeinheit der Revolutionsgarde im Jahr 1988, die für Operationen im Ausland zuständig ist, war Vahidi deren Kommandeur, bis 1997 Qassem Soleimani den Posten übernahm. Soleimani starb im Januar vergangenen Jahres in Bagdad bei einem Drohnenangriff der USA.

Vahidi wird vorgeworfen, als Kommandeur der Kuds-Einheit 1994 Drahtzieher des Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires gewesen zu sein, dem 85 Menschen zum Opfer fielen. Bei Interpol liegt ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vor.
Auch der Kandidat für das Außenministerium spielte in Ahmadinedschads Regierung wichtige Rollen. Hossein Amir-Abdollahian war 2007 bis 2010 Botschafter in Bahrain. In derselben Zeit leitete er das iranische Verhandlungsteam in den Gesprächen zwischen dem Iran und den USA in der irakischen Hauptstadt Bagdad über die Sicherheitslage des Irak. Die Verhandlungen wurden nach drei Sitzungen ohne Erfolg abgebrochen.

Amir-Abdollahian ist auch für seine gute Beziehung zu Soleimani bekannt und steht dem Obersten Führer Khamenei nahe. Derzeit berät er den Parlamentspräsidenten Mohammad Bagher Ghalibaf in der Außenpolitik. In den ersten Monaten von Ruhanis Regierung war er stellvertretender Außenminister für die Angelegenheiten der arabischen Welt, verlor dann jedoch seinen Posten.

Bei Treffen zwischen Raissi und ausländischen Vertretern in den vergangenen Tagen saß Amir-Abdollahian neben dem neuen Präsidenten. Die Außenpolitik der Islamischen Republik wird nicht im Außenministerium gemacht, wie Khamenei vor einigen Monaten betonte. Trotzdem ist das Ministerium enorm wichtig, vor allem, weil der Minister das Regime im Ausland vertritt und als Schaufenster der Islamischen Republik angesehen wird.
Nicht nur im Innen- sowie Außenministerium, sondern auch im Ministerium für Nachrichtenwesen wird nur in Rücksprache mit dem Obersten Führer entschieden. Hinter der harmlos klingenden Bezeichnung verbirgt sich der Geheimdienst der Regierung, den westliche Dienste unter anderem für Anschläge und Morde im Ausland verantwortlich machen.

Raissis Kandidat für diesen Posten ist Ismail Khatib, der bisher für die interne Antispionage-Abteilung der Justiz verantwortlich war. Zuvor leitete er das gleiche Ressort in der „Astan-e Qods-e Razavi Stiftung“, die gleichzeitig der größte Grundbesitzer des Landes ist. Ihr Leiter bis 2019: Ebrahim Raissi. Khatib hatte sich 1981, zwei Jahre nach der Islamischen Revolution, dem neu gegründeten Geheimdienst der Revolutionsgarde angeschlossen und war danach ins Ministerium für Nachrichtenwesen gewechselt.

Die Leitung der Planungs- und Haushaltsorganisation des Landes, in der über die Wirtschaftspolitik und den Haushalt entschieden werden, soll nach Raissis Wunsch Masoud Mirkazemi übernehmen, der in Ahmadinedschads erster Regierung Handelsminister und in der zweiten Ölminister war. Auch Mirkazemi sollte im großen Korruptionsfall im Ölministerium beteiligt gewesen sein.
Kopf des Energieministeriums, das angesichts der häufigen Stromausfälle und Wasserknappheit in dem Land eine wichtige Rolle spielt, soll ein anderes Mitglied der Regierung Ahmadinedschads werden. Aliakbar Mehrabian war von 2007 bis 2011 Minister für Industrie und Bergwerke. Bereits als Ahmadinedschad Teherans Bürgermeister war, hatte Mehrabian wichtige Posten in der Stadt inne.

Andere Kandidaten von Raissi kommen aus der Justiz, wo Raissi seine ganze Karriere verbracht hat und sich am besten auskennt. So übernimmt Gholamhossein Esmaili, der bisher Sprecher der Justiz war, die Präsidialverwaltung. Im Ministerium für Informations- und Kommunikationstechnologie wird der bisherige Leiter der Technologieabteilung der Justiz das Sagen haben, Isa Zarepour.

Das Gesundheitsministerium übernimmt einen weiteren Hardliner, der im März gefordert hat, keine ausländischen Impfstoffe gegen das Coronavirus zu importieren - den Amerikanern und Briten ist nicht zu trauen.  Für drei weitere Ministerien – Bildung, Kultur und islamische Führung sowie Wissenschaft, Forschung und Technologie – hat Raissi Personen vorgeschlagen, die eine äußerst ideologische Interpretation von Kultur und Bildung vertreten.

  Angesichts der vielen Krisen im Iran, von der Innen- und Außen- bis zur Gesundheitspolitik sowie der katastrophalen Wirtschaftslage, ist kaum zu erwarten, dass Raissis unerfahrene Minister wesentliche Veränderungen bewirken können.  Aber vielleicht ist genau das das Ziel hinter Raissis Kandidatenliste.
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