Libanesische Armee bezieht Stellung an Tankstellen
Sonntag 15.August.2021 - 10:57
In der Krise Sprit horten? Die Regierung im Libanon geht mit der Armee gegen die weitverbreitete Praxis vor. Soldaten betanken Autos, gebunkertes Benzin wird gratis abgegeben. Die Nachfrage: gewaltig.
Beirut - Spiegel : Der Libanon steckt in einer verheerenden Wirtschaftskrise, die Hauptstadt Beirut ist ein Jahr nach der Explosion im Hafen noch weit von der Normalität entfernt. Und nun diese Bilder: Überall im Land hat die Armee an Tankstellen Stellung bezogen. Auf Fotos, die von der Armee in den Online-Netzwerken veröffentlicht wurden, war zu sehen, wie Soldaten am Samstag Fahrzeuge betankten. AFP-Korrespondenten berichteten vor langen Schlangen an den Tankstellen im Norden von Beirut. Mit ihrem Einsatz will die Armee dem Horten von Treibstoff und dem Verkauf zu Schwarzmarktpreisen entgegenwirken.
Gehortetes Benzin werde beschlagnahmt und gratis an die Menschen verteilt, erklärte die Armee. Auch die Polizei kündigte Kontrollen in Tankstellen und die Beschlagnahmung von gehortetem Benzin an.
Der Libanon wird derzeit von einer der schwersten Wirtschaftskrisen seit 1850 heimgesucht. Das Land kämpft unter anderem mit Benzin- und Medikamenten-Engpässen.
Der Chef der libanesischen Zentralbank, Riad Salamé, sagte unterdessen am Samstag im Radio, er werde nicht von seiner Entscheidung abweichen, die Subventionen für Treibstoffe zu streichen, solange dafür keine Devisen freigegeben würden. Laut Salamé gab es einen obligatorischen Devisenbestand von 14 Milliarden Dollar (11,9 Milliarden Euro) und zusätzlich 20 Milliarden Dollar externe Bestände.
Die Zentralbank hatte am Mittwoch neue Bestimmungen über die beschränkte Ausgabe von Krediten bekannt gegeben. Das rief in der Bevölkerung Wut und Panik hervor, weil weitere Preissteigerungen befürchtet wurden. Wegen der Engpässe ist die Stromversorgung im Libanon teilweise 22 Stunden am Tag unterbrochen. Der Wert des libanesischen Pfundes hat gegenüber dem Dollar um 90 Prozent eingebüßt. 78 Prozent der libanesischen Bevölkerung leben inzwischen unter der Armutsgrenze.
Nach dem Explosionsunglück im vergangenen Jahr hat das Ausland geholfen. Noch Anfang August sagten die USA, Frankreich und Deutschland bei einer Geberkonferenz Milionensummen an Unterstützung zu . Die Regierung in Paris versprach am Mittwoch 100 Millionen Euro, die Bundesrepublik 40 Millionen Euro. Doch die Helfer verlangten nun Zugeständnisse des Libanon: »Eine wirkliche und langfristige Verbesserung der Situation kann jedoch nur durch die Bildung einer handlungsfähigen libanesischen Regierung herbeigeführt werden, die sich zum Ziel setzt, die von der Bevölkerung geforderten Reformen umzusetzen«, erklärte etwa das Auswärtige Amt.
Auch US-Präsident Joe Biden drängte auf Reformen: »Keine Unterstützung von außen wird jemals ausreichen, wenn sich die libanesische Führung nicht dazu verpflichtet, die harte, aber notwendige Arbeit zur Reform der Wirtschaft und zur Korruptionsbekämpfung zu leisten«,sagte er.