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Kanzlerin Merkel : Wir müssen dafür werben, dass geimpft wird

Dienstag 10.August.2021 - 09:37
Die Referenz
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Berlin - Der Spiegel :Deutschland kommt beim Impfen gegen das Coronavirus nicht schnell genug voran – Bund und Länder wollen die Immunisierungskampagne mit neuen Maßnahmen in Schwung bringen. Vor allem die Testpflicht wird ausgeweitet.

Die Impfkampagne ist aus Sicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Deutschland ins Stocken geraten. »Wir müssen dafür werben, dass geimpft wird«, sagte Merkel nach einem virtuellen Treffen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten.

Deutschland sei in Europa nicht mehr Spitze – es gebe im europäischen Vergleich Länder, die impffreudiger seien. »Das Impftempo hat erheblich nachgelassen«, konstatierte die Kanzlerin. Zudem habe man »trotz der Impffortschritte eine Steigerung des Infektionsgeschehens«. Aktuell seien 55,1 Prozent der Menschen in Deutschland zweitgeimpft Für diejenigen, die noch nicht geimpft seien setze man jetzt voll auf das Testen sagte Merkel.

Merkel war mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zu einer Videokonferenz zusammengekommen, um über Fluthilfen und die Coronapandemie zu beraten. Mit Blick auf die Flutkatastrophe vom Juli hat sich die Runde auf einen umfangreichen Aufbaufands  verständigt. Bund und Länder sollen gemeinsam 30 Milliarden Euro bereitstellen, eine Sondersitzung des Bundestags zur Abstimmung über das Paket ist für Ende August geplant.
Deutlich länger dauerten die Beratungen über den weiteren Umgang mit dem Coronavirus angesichts einer drohenden vierten Welle im Herbst. Bund und Länder wollen vor allem den Druck auf Ungeimpfte erhöhen. Das sind die wesentlichen Neuerungen:

Die Bürgertests werden ab dem 11. Oktober bis auf wenige Ausnahmen nicht länger bezuschusst. Ungeimpfte müssen Corona-Schnelltests entsprechend selbst bezahlen.

Die Testpflicht in Innenräumen wird deutlich verschärft .Ab einer Inzidenz von 35 gilt sie grundsätzlich unter anderem bei der Innengastronomie und bei Beherbergungen. Allerdings haben die Länder einen gewissen Spielraum, bei einer Inzidenz unter 35 in einem Landkreis diese Regeln auszusetzen.

Die Sieben-Tage-Inzidenz soll auch weiterhin maßgeblicher Richtwert für die Bewertung der Coronalage in Deutschland bleiben. Weitere Indikatoren wie die Impfquote, die Zahl schwerer Krankheitsverläufe sowie die Belastung des Gesundheitswesens sollen aber künftig genauer beobachtet werden.

Der Bundestag oll die »epidemische Lage von nationaler Tragweite« auf Wunsch von Bund und Ländern noch einmal über den 11. September hinaus verlängern.

Die Notlage gilt als wichtigste Rechtsgrundlage der Regierung im Kampf gegen die Coronapandemie. Sie gibt dem Bund das Recht, direkt Verordnungen etwa zu Tests und Impfungen zu erlassen. Auch Maßnahmen der Länder wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen beziehen sich laut Infektionsschutzgesetz auf die Feststellung dieser Sonderlage. Weiter entschieden die Politiker, dass Großveranstaltungen zunächst nur vor maximal 25.000 Zuschauern stattfinden dürfen. Veranstalter müssen Hygienekonzepte vorlegen.
Merkel verteidigte, dass die Inzidenz weiter wichtigster Faktor bleibt. »Wenn die Inzidenz bei den 20-Jährigen dramatisch steigt, dann wird es auch da Krankenhausaufenthalte geben.« Entsprechend bleibe die Zahl relevant. »Wir haben noch keine Glücksformel gefunden, diese Zahl zu ersetzen«, ergänzte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.  Das müsse nun in den nächsten Wochen und Monaten geklärt werden.

Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz gilt in Deutschland seit Pandemiebeginn als zentraler Maßstab für die Bewertung der Notwendigkeit von Coronamaßnahmen. Die Zahl zeigt die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker hatten jüngst eine Abkehr vom Inzidenzwert als zentraler Richtlinie gefordert, weil durch steigende Impfungen der Anteil schwerer Fälle an allen Covid-Erkrankungen deutlich abnehme.

Den Ländern steht es künftig jedoch frei, neben der Inzidenz künftig auch Indikatoren wie die Impfquote oder die sogenannte Hospitalisierung von Coronapatienten stärker zu berücksichtigen. Gemeint ist mit der Hospitalisierung die Zahl der coronabedingten Krankenhaus-Einlieferungen. Mit den weiteren Indikatoren könne »in Zukunft schnell und präzise abgeschätzt werden, in welchem Umfang das Neuinfektionsgeschehen noch immer angesichts der wachsenden Immunität in der Bevölkerung zu schweren Verläufen führt«, heißt es im Beschluss von Bund und Ländern. Das Papier liegt dem SPIEGEL vor.

Durch die Delta-Variante sei die Pandemie leider noch nicht vorbei, sagte Merkel. Sehr wünschenswert wäre eine Impfquote von 90 Prozent bei den Über-60-Jährigen und eine Impfquote von 80 bis 85 Prozent der Personen ab zwölf Jahren. Das entspräche dann einer Impfquote der Gesamtbevölkerung von 70 bis 75 Prozent, so Merkel.
»Die Gruppe der Ungeimpften ist zu groß«, sagte auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller , Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Testpflicht und die künftig damit verbundenen Kosten könne man durch eine Impfung umgehen.

Die vierte Welle schleicht sich richtig heran«, sagte Söder. »Wir sind gut beim Impfen, aber lange nicht so gut, wie es sein muss.« Wer ein »freiheitsliebender Mensch« sei, solle sich die Impfung gut überlegen – um nicht von Einschränkungen betroffen zu sein. Gleichzeitig versprach Söder, dass man einen weiteren Lockdown unbedingt vermeiden wolle. Künftige Beschränkungen sollen vor allem für jene gelten, die die Impfung ablehnen.
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