Infektionszahlen steigen mit besorgniserregender Dynamik
Donnerstag 22.Juli.2021 - 09:11
Angela Merkel hat vor der exponentiellen Zunahme der Corona-Zahlen gewarnt. Bei ihrem vermutlich letzten Auftritt vor der Bundespressekonferenz als Bundeskanzlerin gab Merkel zudem Versäumnisse in der Klimapolitik zu. Ein Überblick über die wichtigsten Themen.
Berlin-Welt :Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem vermutlich letzten Auftritt vor der Bundespressekonferenz als Bundeskanzlerin sich den Fragen der Hauptstadt-Journalisten gestellt. Im Fokus stand dabei unter anderem die Corona-Krise, die Flutkatastrophe und der Klimawandel. Eine Übersicht: In ihrer 16-jährigen Amtszeit hatte die Kanzlerin aus eigener Sicht nur Krisen zu bewältigen gehabt, die ihre Ursachen nicht in Deutschland hatten. Die CDU-Politikerin zählt dazu die Finanzkrise von 2007, die Euro-Rettung, die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015, den Klimawandel und die Corona-Pandemie.
„Was meine Amtszeit schon durchzogen hat immer, ist, dass wir halt nicht alleine mit nationaler Politik unsere Herausforderungen bewältigen können, sondern dass wir Teil einer Weltgesamtheit sind, und das ja auch das Thema, das wir bei Klima sehen“, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin.
Wir alleine werden das Weltklima nicht verändern können. Wir alleine werden nicht die Pandemie bekämpfen können“, sagte Merkel. Sie fügte hinzu: „Aber die Art und Weise, wie wir es machen, kann Beispiel sein für andere, dem zu folgen.
Sie habe sich noch nicht viel damit befasst, was sie nach Ende ihrer Amtsperiode tue, sagte Merkel. „Es ist wenig Zeit und Raum, sich mit der Zeit danach zu beschäftigen.“ Die Aufgaben in den verbleibenden Wochen seien enorm, sie mache es aber weiter gerne. Merkel verwies auf die Verhandlungen in der EU über das Klimaprogramm „Fit for 55“, die jetzt begännen und sich Deutschland einbringen müsse. Dies sei wichtig für die neue Regierung. „Wir wollen eine gute Übergabe machen“, sagt sie. „Ich werde dann schon mit der Zeit was anfangen können.
Mit deutlichen Worten warnte Merkel vor der aktuellen Entwicklung der Corona-Zahlen. „Die Infektionszahlen steigen seit einigen Tagen wieder und zwar mit einer deutlichen – und wie ich finde – besorgniserregenden Dynamik.“ Der R-Wert liege beständig über 1. Die derzeit etwa binnen 12 Tagen registrierte Verdoppelung der Inzidenzzahlen bewerte Merkel als dramatisch. Grund dafür sei auch die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus. Nötig sei es, Schutzmaßnahmen mehr zu beachten: Masken, Abstand, Lüften und auch regelmäßiges Testen.
Merkel rief die Bevölkerung angesichts steigender Infektionszahlen zu verstärkten Impfbemühungen auf. „Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein“, sagte die Kanzlerin. Nur gemeinsam könne die Pandemie überwunden werden. Deswegen sollten Menschen auch im privaten Umfeld und der Arbeitswelt aktiv für Impfungen werben. Höhere Impfquoten machten es inzwischen möglich, auch mit höheren Infektionszahlen umzugehen. „Die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, bleibt Richtschnur unser Handelns“, sagte Merkel.
Die Kanzlerin stellte zudem in Aussicht gestellt, die nächste Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Pandemie vorzuziehen. Sie werde sich Bitten von Regierungschefs der Länder nicht verschließen. Bisher ist das Treffen für Ende August geplant. Merkel sagte, das Thema Corona könne auch bei einem Treffen von Ministerpräsidenten zur Katastrophenhilfe besprochen werden, das deutlich früher als Ende August stattfinden soll.
Die Kanzlerin sagte zu, dass die Hilfe für afghanische Hilfskräfte für die Bundeswehr nicht am Geld scheitern werde. Man werde auch über Charterflüge nachdenken. „Ich setze mich sehr dafür ein, dass wir pragmatische Lösungen finden“, sagt sie. Zugleich betont Merkel, dass Deutschland nicht alle Menschen aufnehmen könne, die in Afghanistan angesichts des Vormarschs der Taliban das Land verlassen wollten.
Die Kanzlerin gab Versäumnisse und Enttäuschungen in der Klimaschutz-Politik zu. Gemessen an dem Ziel, den weltweiten Klimaanstieg bis auf zwei Grad zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlerschaft „nicht ausreichend viel passiert“, sagte Merkel. „Deshalb muss das Tempo angezogen werden.“ Merkel betonte zugleich ihren persönlichen Einsatz für den Kampf gegen die Erderwärmung. „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschutz aufgewandt habe“, sagte sie. „Und trotzdem bin ich ja mit wissenschaftlichem Verstand ausreichend ausgerüstet, um zu sehen, dass die objektiven Gegebenheiten erfordern, dass man in dem Tempo nicht weiter machen kann, sondern schneller werden muss.“
Die Kanzlerin verwies zugleich darauf hin, dass es weltweit großen Widerstand gegen einen effizienten Klimaschutz gebe – etwa bei der Umsetzung des Kyoto-Protokolls von 1997. „Ich habe viele Enttäuschungen erlebt damals“, sagte Merkel. Sie habe „sehr, sehr viel Kraft in meinem politischen Leben dafür eingesetzt, Mehrheiten dafür zu finden, dass wir wenigstens diesen Weg gehen konnten“. Dies habe „eigentlich meine gesamte politische Arbeit geprägt“.
Merkel schwor Deutschland auf eine gemeinsame Kraftanstrengung zur Bewältigung der Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands ein. „Wir werden zur Behebung all dieser Schäden einen langen Atem brauchen.“ Es gebe schreckliche Verwüstungen durch das Hochwasser, Deutschland trauere um 170 Tote. Ziel sei eine gemeinsame Finanzierung der Flutschäden. Die Bundesregierung habe einen Betrag von 200 Millionen Euro für Soforthilfe zur Verfügung gestellt. In den nächsten Tagen und Wochen werde mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber gesprochen, wie ein gemeinsamer Aufbaufonds organisieren werde.