Auf Wunsch Empörung: So sorgt China in Deutschland für "Ordnung"
Verlag unter Druck - erfolgreich. Nun
berichtete eine in Deutschland lebende Chinesin dem BR, wie
"Empörung" erzeugt werden sollte: Mit Aufrufen in Chatgruppen - doch
nur zehn von 171 Usern reagierten.
wie BR 24 geschrieben Die chinesische Gemeinde in Deutschland sei "verärgert",
hieß es letzte Woche in einer Mitteilung auf einer halboffiziellen Seite des "China Internet
Information Centers". Grund dafür war ein einziger Satz in dem
im Juni vergangenen Jahres erschienenen deutschen Kinderbuch "Ein
Corona-Regenbogen für Anna und Moritz", wonach das Corona-Virus aus China
stamme und sich von dort ausgebreitet habe. Das will das offizielle China nicht
wahrhaben, kündigte sogar eine Strafanzeige an und erreichte letztlich, dass
der Carlsen-Verlag einknickte. Das Buch wurde zurückgezogen und soll ohne den
beanstandeten Satz neu gedruckt werden, nach Angaben des Verlags,
weil die Passage "von untergeordneter Relevanz" sei.
Vom chinesischen Konsulat in Hamburg hieß es bei
"German.China.org", es sei bei Carlsen "vorstellig
geworden" und "warne" die chinesischen Landsleute. Sie sollten
"vorsichtig und ruhig" sein, wenn sie "mit solchen Handlungen
konfrontiert würden". Provokation, Diskriminierung und Hass seien
"nicht mit den Grundwerten in Deutschland vereinbar".
Nur zehn von 170 Frauen teilten die
"Empörung"
Das offizielle China gab sich also den Anschein, als müsse es
seine eigenen, aufgebrachten Bürger im Zaum halten und bremsen, unüberlegte
Schritte gegen Carlsen zu unternehmen. Ein namentlich nicht genannter
chinesischer "Anwalt" wurde mit dem Satz zitiert, "beleidigende
und diskriminierende Handlungen gegen chinesische Einwanderer und ihre Kinder
in Deutschland" würden zunehmen, "was an irreführenden Berichten
einiger deutscher Medien liege".
Aber stimmt das wirklich, dass die chinesische Gemeinde in
Deutschland hellauf empört war? Beim BR meldete sich eine Akademikerin, die in
Deutschland an einer Hochschule arbeitet und Chinesisch unterrichtet, und sie
berichtete, dass in einer WeChat-Gruppe, einer Plattform des chinesischen
Anbieters Tencent, in der sie sich mit anderen Frauen austauscht, nur zehn von
170 Mitgliedern die offiziell gewünschte "Empörung" geteilt hätten.
Die allermeisten hätten sich für die Angelegenheit überhaupt
nicht interessiert, einige wenige die eine oder andere Position dazu
eingenommen. Im Übrigen, so die Frau, werde das wohl genauso gehandhabt wie in
China auch: Jemand regt sich über irgendwas auf und läuft mit einer
Denunziation zum Amt: "Das läuft genau wie in China mit der Zensur. Ein
Leser oder eine Leserin sieht irgendwo einen verdächtigen Begriff und meldet
ihn bei den zuständigen Behörden, alarmiert sie. Damit ist das Regime
eingeschaltet."
Gern wird die "Angst um die
Sicherheit" geschürt
Und wenn erstmal das "System" eingeschaltet sei, laufe
alles von selbst. In der Regel führten die Behörden zwar im Hintergrund Regie,
aber eben nicht öffentlich sichtbar. Stattdessen werde über Bande gespielt,
würden willfährige Leute gesucht, die sich als "besorgte Bürger" zur
Verfügung stellen und ihren Unmut äußern, mal über dies, mal über jenes.
Diktaturen in aller Welt folgen ja diesem Muster und behaupten ständig, sie
handelten im Sinne des Volkes: "Die Botschaft oder die Konsulate stehen
bei solchen Aktionen normalerweise nicht in der ersten Reihe. Sie machen das
über eine Privatperson oder eine Landsmannschaft oder einen Verein chinesischer
Wissenschaftler oder Studenten. Diese Vereine haben neutrale und unabhängige
Namen. Entweder sind sie direkt abhängig von den Behörden, oder jemand in der
Leitung steht in Verbindung mit ihnen." Gern schürten die Behörden derzeit
bei den Landsleuten die "Sorge um die eigene Sicherheit", so die
Chinesin.