KEINE TESTPFLICHT FÜR UNTERNEHMEN Am Ende bleibt Merkel nur eine Mahnung
Donnerstag 11.März.2021 - 09:00
Der Start der kostenlosen Massenschnelltests in Deutschland verläuft holprig. Und die Unternehmen lassen sich von der Regierung lediglich zum Mitwirken auf freiwilliger Basis bewegen. Die Kanzlerin kann nur ihre Erwartungen betonen. Die SPD ist verärgert.
Wie Welt geschrieben : Keine Fehler mehr, keine weiteren Pannen – nach dem verpatzten Start bei den Corona-Impfungen und den voreiligen Ankündigungen zu den Massenschnelltests sollte nichts mehr schiefgehen. Also wurden Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an die Spitze einer neuen „Taskforce Testlogistik“ berufen.
Die soll dafür sorgen, dass Länder und Kommunen genug Material für die hochtrabend angekündigte National teststratige geliefert bekommen. Aber kaum hatte die Taskforce Anfang der Woche die Arbeit aufgenommen, gab es den ersten Schnitzer.
In einer Hauruckaktion hatten Spahn und Scheuer den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer per Brief das Angebot gemacht, sich beim Pharmaunternehmen Roche durch Vermittlung des Bundes insgesamt 10,5 Millionen Selbsttests zu sichern. Wer zugreifen wollte, hatte etwa 24 Stunden Reaktionszeit und sollte zum Telefonhörer greifen. Wer es tat in den Staats- und Senatskanzleien, hörte am Festnetzanschluss: „Diese Rufnummer ist uns nicht bekannt. Bitte rufen Sie bei der Auskunft an.“
Das Problem ist eine Petitesse, zugegeben, und es ist inzwischen gelöst. Fast alle Länder haben die für sie reservierten Tests bei Roche abgerufen. Aber es zeigt, wie kurzatmig die Bundesregierung das Krisenmanagement bisweilen vorantreibt – und dass die „nationale Teststrategie“ kein Selbstläufer ist. Entscheidende Punkte zur Organisation der Massentests sind weiter ungelöst.
Erstens: Wo sie angeboten werden. Und zweitens: In welchem Umfang die Unternehmen ihre Belegschaften in Eigenregie testen.
Es wird daher wohl Wochen dauern, bis sich das Verfahren zu den Schnell- und Selbsttests im ganzen Land eingespielt hat. Die Frage ist, ob angesichts der Lockerungen, die eine ganz genaue Beobachtung des Infektionsgeschehens erfordern, diese Zeit noch bleibt.
Seit dieser Woche geht es los mit den Massentests, von denen Spahn versprochen hat, dass sie als Schnelltests kostenlos sind und jeder Bundesbürger mindestens ein Mal pro Woche davon Gebrauch machen darf. Aber der Start war holprig, in vielen Regionen war es schwierig, ohne Weiteres einen Testtermin zu bekommen.
Zuständig für die Testaktionen sind die Länder und Kommunen, sie bauen derzeit entsprechende Testzentren auf. Obwohl die Testaktion schon läuft, stehen die Einrichtungen vielerorts aber noch nicht. Beispiel Sachsen-Anhalt: Dort soll das Netz mit Anlaufstellen für Corona-Schnelltests erst in den kommenden Tagen ausgeweitet werden. Ziel sei es, das System bis zum 22. März stabil aufzubauen, kündigte Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) an.
In Bremen gibt es zwar einige Testpunkte, aber in der Hansestadt setzt man auf die Beteiligung von Arztpraxen und Apotheken. „Mir war und ist es wichtig, dass wir nicht nur ein zentrales Testangebot haben, sondern über die ganze Stadt verteilt Testmöglichkeiten anbieten können“, sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Und genau das ist eines der Probleme: Es ist bisher gar nicht absehbar, in welchem Umfang Arztpraxen und Apotheken in die Teststrategie einbezogen werden können.
Denn viele Hausärzte zeigten wenig Bereitschaft, ihre Praxis zur Teststation zu machen – sagt Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. „Anders als die Ständige Impfkommission haben wir keine Statistiken im Wartezimmer, sondern Menschen. Diese Menschen haben Vorrang, sie sind es, die unsere Ärzte und Ärztinnen behandeln müssen und wollen“, sagt Weigeldt. „Es ist daher nicht so ohne Weiteres möglich, nebenher mal eben schnell zu testen.“
Natürlich seien die Hausärzte für ihre Stammpatienten da. „Aber die Praxen können nicht einfach jedem, der sich mal eben spontan testen lassen will, ein solches Angebot machen. Dafür bräuchten sie entsprechende Räume, Schutzausrüstung und zusätzliches Personal“, so der Verbandschef. „Das gibt es in vielen Praxen nicht, und deshalb werden die Praxen kaum einen Tag der offenen Tür machen und jeden testen können, der das möchte.“ Weigeldt schätzt, dass „vielleicht zehn bis 15 Prozent der rund 50.000 Hausarztpraxen im Land Corona-Schnelltests anbieten werden“.
Auch die Apotheken sind zurückhaltend. Sie argumentieren ähnlich wie die Ärzte und verweisen darauf, dass Personal und Ausstattung bereitgehalten werden müssten. Derzeit würden rund zehn Prozent der Apotheken Schnelltestmöglichkeiten anbieten, heißt es bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Im Zuge der Testaktion sei mit einer Beteiligung von etwa 20 bis 30 Prozent der Apotheken zu rechnen.
Das kann in ländlichen Räumen, in denen die Wege zu den staatlichen Testzentren weit sind, zum Problem werden. Ärzte und Apotheker rechnen zudem vor, dass sich für viele die Teilnahme an der Testaktion nicht rechnen würde. 15 Euro gibt es für die Durchführung, sechs Euro Sachkostenentschädigung erstatten die Kassenärztlichen Vereinigung, über die die Tests abgerechnet werden.
Das ist für viele kein Anreiz. „Die Honorierung ist ein Trauerspiel. Zu den festgelegten Sätzen testen, auswerten, ein Gespräch führen sowie eine Bescheinigung ausstellen, ist nicht kostendeckend“, klagt Ärzteverbandschef Weigelt. „Und ich wundere mich schon sehr, dass nun die Politik die Arzthonorare festlegt.“
SPD droht Wirtschaft „verbindliche Regelung“ an
Wackelig ist zudem die zweite Säule, auf der die Testaktion der Bundesregierung steht: der Beitrag der Wirtschaft. Die sollte eigentlich zu einer Testpflicht ihrer Belegschaften gebracht werden, vor allem die SPD hatte sich dafür stark gemacht. Denn damit könnten mehr als 30 Millionen Beschäftigte regelmäßig auf das Infektionsgeschehen untersucht werden. Aber die Unternehmen sperren sich – und das mit Erfolg. Die Pflicht ist vom Tisch. Zumindest im ersten Anlauf.