Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Worüber Merkel und Biden am Telefon sprechen

Dienstag 26.Januar.2021 - 09:50
Die Referenz
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Berlin - Spiegel - In der Politik ist es wie im echten Leben: Der Erfolg hat viele Väter und Mütter, der Misserfolg ist ein Waisenkind. So mutet es geradezu grotesk an, wie nun im Streit um das Impfen die Verantwortung für Probleme hin und her geschoben wird. Niemand will an dem Chaos schuld sein. Die EU und Gesundheitsminister (CDU) knöpfen sich den Herstelle Jens Spahn AstraZeneca vor, weil der wohl zunächst nicht die versprochene Zahl von Impfdosen liefern kann. Es ist sogar die Rede davon, dass die Firma keine Impfstoffe mehr in Staaten außerhalb der EU exportieren darf, bevor nicht die versprochenen Lieferungen in Europa erfolgt sind. Das klingt nach Entschlossenheit, wahrscheinlich ist es sogar richtig. Aber natürlich versuchen die Verantwortlichen in Brüssel und in Berlin so auch, von eigenen Fehlern beim Kampf gegen die Pandemie abzulenken. Dann gibt es neue Aufregung, weil zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen der Start der Terminvergabe für die über 80-Jährigen via Internet oder Telefon vielerorts ziemlich ruckelig beginnt. Die Opposition von der SPD macht – wohl nicht ganz zu Unrecht – die Landesregierung dafür verantwortlich. Dabei gibt es kaum einen Zweifel daran, dass es die Genossen in NRW wohl kaum besser hinbekommen hätten. Die Wahrheit ist doch: Alles, was wir gerade erleben, das gesamte Impfchaos, ist eigentlich keine Überraschung. Politiker, Verwaltungen, Unternehmen sind in der Krise schlicht überfordert, nicht nur in Deutschland sondern weltweit. Das haben echte Krisen leider nun einmal so an sich. Sonst wäre das ja keine Krise, oder? Der neue amerikanische Präsident Joe Beiden macht seine Ankündigung wahr, die alten Allianzen der USA zu stärken. Am Wochenende hat Biden mit dem britischen Premierminister Boris Johnson und mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron telefoniert. Nun sprach er auch mit Kanzlerin Angela Merkel . Von deutscher Seite hieß es anschließend, die beiden hätten unter anderem über den gemeinsamen Kampf gegen Corona gesprochen, es ging um Afghanistan und Iran sowie um die Handels- und Klimapolitik. Zudem lud Merkel Biden zu einem Besuch nach Deutschland ein, »sobald die pandemische Situation dies erlaube«. Aus dem Weißen Haus hieß es, man habe auch über China und Russland gesprochen. Biden habe gegenüber Merkel den Wunsch geäußert, die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland »zu vertiefen«. Der Präsident wolle die transatlantische Partnerschaft wiederbeleben. Für Merkel dürfte der Anruf aus Amerika eine Wohltat gewesen sein. Zwischen ihr und Bidens Vorgänger Donald Trump herrschte zum Schluss praktisch Funkstille. Wenn Trump und sie miteinander Kontakt hatten, ging es meist um unangenehme Streitthemen wie Trumps Handelskrieg gegen die EU. Von einer »Vertiefung« der Beziehungen war jedenfalls sicher nicht die Rede. Gleichwohl werden sich auch Biden und Merkel erst noch ein wenig aneinander gewöhnen müssen. Man kennt sich zwar aus zahlreichen Begegnungen während Bidens Zeit im Amt des Vizepräsidenten. Doch den engen Draht pflegte Merkel da naturgemäß eher zu Bidens Chef, Barak Opama . Allzu lange werden Biden und Merkel ohnehin nicht zusammenarbeiten. Auch in Washington richtet man sich schon auf den Abgang der Kanzlerin nach der Bundestagswahl ein und sammelt Informationen über ihre potenziellen Nachfolger. Eine der häufigsten Frage, die man als Deutscher in der US-Hauptstadt in diesen Tagen gestellt bekommt, lautet: »Who is Armin Laschet?« Wir erinnern uns: In unserem anderen Leben, also vor der Coronakrise, war das Weltwirtschaftsforum in Davos einer dieser Megaevents, bei denen Staatenlenker und Wirtschaftsführer um den halben Erdball jetten, um dann mit ernstem Gesicht über globale Probleme wie die fortschreitende Erderwärmung zu sprechen. Das heißt nicht, dass solche Treffen zum Meinungsaustausch der Mächtigen vollkommen unnötig wären. Doch die Tatsache, dass die Sache diesmal virtuell stattfindet, ist vielleicht trotzdem eine schöne Möglichkeit zum Innehalten. So können endlich einmal alle miteinander über den Sinn und Unsinn solcher Formate nachdenken. Bei den üblichen Auftritten der Big Bosse bei der »Davos Agenda« (Online) bleibt ohnehin alles fast wie immer: Auch via Bildschirm halten die Chefs und Chefinnen – mehr oder weniger – ihre vorgefertigten Reden. Autokraten wie Chinas Präsident Xi Jinping freuen sich besonders, denn sie können bei solchen Gelegenheiten ihre Weltsicht ungefiltert in den globalen Diskurs einspeisen. Xi warnte die lauschenden Spitzen von Politik und Wirtschaft bei seinem Auftritt vor einem »neuen Kalten Krieg«. Eine solche Konfrontation werde »in einer Sackgasse« enden, sagte er. Dass China und er zu dieser Entwicklung möglicherweise einen maßgeblichen Beitrag leisten, blieb natürlich unerwähnt. Heute wollen Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei dem virtuellen Davos-Format auftreten. Am Mittwoch wird eine Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet. Ein »echtes« Davos-Treffen soll es später übrigens auch noch geben: Ende Mai sollen Wirtschaftslenker, Spitzenpolitiker und Gesellschaftsvertreter in Singapur zusammenkommen. Dann schon geimpft und Corona-frei, im Idealfall.
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