Die Situation ist im Flüchtlingslager Kara Tepe ist kritischer als in dem Flüchtlingslager Moria
Vor dem
europäischen Parlement sagte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, dass es keine
zweite Moria geben dürfte. Bereits war das berühmte Flüchtlingslager Moria auf
der griechischen Insel Lesbos abgebrannt. Ungfähr waren 13.000 Menschen dadurch
obdachlos geworden.
Inzwischen schlagen mehrere Hilfsorganisationen wegen der Lage
im Ausweichlager Kara
Tepe Alarm. Die Bedingungen für die Bewohner sollen dort
noch schlimmer sein als in Moria. "Weihnachten bedeutet für die
Lagerbewohner in erster Linie, dass Nässe
und Kälte die Lebensbedingungen weiter
verschlechtern", teilt Caritas International mit. Die
wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema im Überblick:
Wie viele Menschen
halten sich in griechischen Flüchtlingslagern auf?
In Kara
Tepe befinden sich zurzeit rund 7500 Menschen. Die Lage
auf Lesbos steht besonders im Fokus, doch rund 7700 Menschen leben derzeit in
anderen Ankunftszentren auf den Inseln Chios, Kos, Samos und Leros.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht
davon aus, dass sich insgesamt rund 19.500
Asylsuchende auf den griechischen Inseln aufhalten. Die
beiden größten Gruppen machen Menschen aus Afghanistan (46 Prozent) und Syrien (18 Prozent) aus.
Laut UNHCR sind 48 Prozent der Geflüchteten dort Frauen und Kinder.
Wie ist die aktuelle
Situation in Kara Tepe?
"Man hat bei Moria immer gesagt: Schlimmer geht es
eigentlich nicht. Kara Tepe ist ganz klar die Steigerung", sagte die
Journalistin Isabel Schayani im WDR. Auf Twitter veröffentlichte sie zudem
aktuelle Videoaufnahmen aus Kara Tepe, wo Menschen in unter Wasser stehenden
Zelten hausen müssen.
"Die Versorgung
mit Nahrungsmitteln und Wasser ist nicht gewährleistet, es
fehlt an Duschen und Toiletten", teilt Caritas International mit. Die
Menschen seien Sturm
und Regen schutzlos ausgeliefert, zu Weihnachten werden
Temperaturen von sechs Grad erwartet. Mehrmals kam es in den vergangenen
Monaten zu Überschwemmungen.
Der deutsche Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) sagte
in einem Gespräch mit der "Passauer Neuen Presse", Babys seien in den
nassen Zelten von
Ratten gebissen worden.
Das Vorzeige-Lager
PIKPA, wo zuvor einigermaßen humanitäre Bedingungen herrschten,
ist von den griechischen Behörden im
September geschlossen worden.
Auch die Stimmung unter den Menschen in den Lagern ist angespannt bis gefährlich.
Die Hilfsorganisation SOS Kinder, berichtete in der vergangenen Woche von einem besonders
erschreckenden Ereignis: Demnach soll eine Dreijährige Opfer eine
Vergewaltigung geworden sein. Das Kind wurde blutend und bewusstlos in einem
Waschraum gefunden.
Könnten die Menschen
die Lager aus eigener Kraft verlassen?
"Das Schlimme an der Situation ist die Perspektivlosigkeit",
sagt dazu Günter
Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl im
Gespräch mit unserer Redaktion. "Die griechische Regierung setzt die
Menschen auf den Inseln fest, weil sie komplett auf Abschreckung setzt.
Das Ziel ist die Abschiebung
in die Türkei – ohne reguläres Asylverfahren, ohne Prüfung
der Fluchtgründe." Eine Rückkehr in die Türkei sei aber vor allem für
Menschen aus Afghanistan keine Option. "In der Türkei gibt es für
afghanische Schutzsuchende keine Perspektive", so Burkhardt. "Würde
man sie dorthin bringen, würde man in Kauf nehmen, dass sie weiter abgeschoben
werden."
Wie reagiert die
Politik auf die Lage?
Die deutsche
Bundesregierung setzt auf eine EU-weite Verteilung von
Geflüchteten. Auch die griechische Regierung pocht auf die Hilfe der anderen
Mitgliedstaaten. Nicht nur bei den Regierungen der osteuropäischen Staaten und
Österreichs ist die Bereitschaft, Geflüchtete aufzunehmen, aber gering.
"Die deutsche Regierung verweist auf eine EU-weite Lösung.
Doch das ist Warten auf den Sankt-Nimmerleinstag, weil es in der aktuellen
politischen Situation so eine Lösung nicht geben wird", kritisiert Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.
In der vergangenen Woche unterzeichneten rund 250 Bundestagsabgeordnete von
CDU, SPD, FDP, Linken und Grünen einen gemeinsame Weihnachtsapell. Darin
fordern sie die Bundesregierung auf, die Aufnahme Geflüchteter in
Deutschland zu beschleunigen.
Dieser Forderung schließt sich auch Pro Asyl an:
"Das Bundesinnenministerium muss den Appell der Bundestagsabgeordneten
ernst nehmen und in Deutschland die Aufnahme organisieren", so Günter
Burkhardt. "Die Kapazitäten
sind vorhanden – es gibt ja das Angebot von rund 200 Kommunen,
die Schutzsuchende aufnehmen wollen."
Wie viele Menschen
sind bisher von den griechischen Inseln nach Deutschland geholt worden?
Die Bundesregierung hatte im September angekündigt, 1553 Menschen aus
Griechenland nach Deutschland zu holen. Es handelt sich dabei um 408 Familien,
die in Griechenland bereits erfolgreich ein Asylverfahren durchlaufen
haben. Anfang
Dezember waren erst
149 von den zugesagten 1553 Personen in Deutschland
angekommen.
Das ergab eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der
Grünen-Bundestagsfraktion. Demnach handelte es sich um Bewohner der Lager auf
Chios, Kos, Leros und Samos. Die Aufnahme aus Lesbos erfolge "aus operativen Gründen" erst
im nächsten Schritt, so die Bundesregierung.
Hinzu kommen 150 unbegleitete Minderjährige: Deutschland hatte
sich mit Frankreich, Finnland, Luxemburg, Slowenien, den Niederlanden,
Kroatien, Portugal, Belgien und der Schweiz darauf verständigt, insgesamt 1537
junge Menschen von den Inseln aufzunehmen. Alle 150 minderjährigen Geflüchteten sind
der Bundesregierung zufolge inzwischen in Deutschland angekommen.