Internationales Lob für das Friedensabkommen zwischen den VAE und Israel
Sonntag 23.August.2020 - 09:39
Die Annäherung läuft seit Jahren – etwa seit 2007 und unter Ausschluss des Publikums. Die "Umkehr der Allianzen", wie es in der Diplomatiegeschichte heißt, wenn alte Feinde sich plötzlich gegen einen Dritten verbünden, hat Iran mit seinem Expansionsdrang heraufbeschworen: mit dem vorsichtigen, aber systematischen Griff zur Atombombe, dem Vorstoß ans Mittelmeer vom Irak über Syrien nach Libanon. Schritt um Schritt demolierte Iran so ein scheinbar ewiges Interessengefüge in der arabischen Welt.
Die neuen Interessen liegen auf der Hand. Für Israel wuchs die strategische Bedrohung, zumal der Iran sich kampfgestählte Hilfstruppen an der Nord- und Südgrenze des Landes zulegte und beide bewaffnete: Hisbollah im Libanon, Hamas in Gaza. Die Lehrbuchlogik befahl: Rücke deinerseits an den Todfeind heran und rekrutiere Verbündete am Golf – Gleichgewichtspolitik wie im 19. Jahrhundert. Das war der Beginn der stillen Zweckehen mit den Saudis und den Scheichtümern: Abu Dhabi, Dubai, Bahrain, Oman.
Palästinenser werden zu Statisten
Zwischen Jerusalem und den Golfstaaten verdichtete sich die Zusammenarbeit der Dienste; Emissäre flogen insgeheim hin und her. Die Israelis haben diskret diese oder jene High-Tech-Waffe geliefert. Die neue Liebe unter alten Feinden wuchs, je mehr sich Teheran zwischen Bagdad und Beirut festsetzte und je länger Saudis und Iraner einen grausamen Stellvertreterkrieg im Jemen ausfochten. Die Palästinenser gerieten Schritt um Schritt an den Rand der Bühne. Ihre Vetomacht sank gen null. Sie zahlen nunmehr indirekt für die imperialen Ambitionen des Irans.
Für die "Gulfies" spielt freilich auch der Islam eine strategische Rolle – der uralte Kampf zwischen Sunna und Schia. Für den schiitischen Iran sind die Glaubensbrüder im Irak und Libanon die natürlichen Freunde, für die arabische Sunni-Mehrheit die natürlichen Gegner. Das Schisma verstärkt, was die Staatsräson gebietet, auch wenn man dabei mit dem verhassten Yahud, dem Juden, paktieren muss. Im Dreißigjährigen Krieg hat das katholische Frankreich zusammen mit den protestantischen Schweden gegen die papistischen Habsburger gekämpft.
Seit über zehn Jahren läuft das große Spiel, in dem die Palästinenser – einst als Kern aller Nahostkonflikte geadelt – unmerklich, aber stetig in die Rolle des Statisten, ja, des Störenfriedes gerieten. Nach Kairo und Amman, die schon 1979 und 1994 einen kalten Frieden mit Israel geschlossen hatten, sind nun auch die Golfstaaten nicht mehr gewillt, den Palästinensern ein Veto zuzugestehen. Ein Staat für die Palästinenser, das Sine-qua-non der Normalisierung, wurde mehr und mehr zum Lippenbekenntnis.
Warum aber das "geopolitische Erdbeben" (so Tom Friedman, der Kolumnist der New York Times) gerade jetzt?
Ein Auslöser heißt Erdoğan. Er hat die strategische Bühne von Teheran nach Tripolis ausgeweitet, vom Golf bis ins westliche Mittelmeer. Im Spiel sind die üblichen Verdächtigen der Machtpolitik: Vorherrschaft und Besitz, konkret Erdgas im Meerboden. Auch hier versammeln sich merkwürdige Bettgenossen: Ägypten, Israel und VAE, Griechenland und Zypern.
Der gemeinsame Feind ist Erdoğan, der neuerdings die Flotte vorschickt, um seine Hand auf die Gasfelder im Ost- und Westmittelmeer zu legen. Ankara munitioniert die libysche Regierung in Tripolis, um sich Schürfrechte zu sichern; Kairo und Abu Dhabi (VAE) die Rebellen im Osten des Landes. Es geht um Abermilliarden und den Gasmarkt in Europa, für Kairo und die VAE aber auch um den inneren Widersacher.
Denn Erdoğan gibt den Schutzherren für die fromme Moslem-Bruderschaft, die arabische Regime vom Golf bis an den Nil bedroht. Auch hier bietet sich Israel als nützlicher Verbündeter für Riad, Kairo und Abu Dhabi an. Mein Feind und dein Feind machen uns zu Freunden; vergesst Allah und Adonai, den jüdischen Gott. Die Potentaten werden in den vergangenen Wochen wohlwollend registriert haben, wie erfolgreich Israel das iranische Atompotenzial attackiert hat. Es ist beruhigend, die kleine Supermacht auf ihrer Seite zu haben.