Maas warnt Lybien vor militärischer Eskalation
Mittwoch 19.August.2020 - 09:52
Bei einem überraschenden Besuch in Libyen hat Heiko Maas vor einer neuen Eskalation in dem Land gewarnt.
Bundesaußenminister Heiko Maas hat in Libyen vor einem neuen Aufflammen der Kämpfe in dem Bürgerkriegsland gewarnt. Dass die Waffen derzeit weitgehend schwiegen, sei eine "trügerische Ruhe", sagte der SPD-Politiker bei seinem überraschenden Besuch in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Er verwies darauf, dass auf beiden Seiten mit internationaler Hilfe massiv aufgerüstet werde. Deswegen sei "die Gefahr einer militärischen Eskalation weiterhin groß", erklärte er nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Fayez al-Sarraj.
Maas pochte auf eine Fortsetzung der innerlibyschen Waffenstillstandsgespräche. Er begrüßte die "grundsätzliche Zustimmung" der libyschen Einheitsregierung zu einem von den Vereinten Nationen vorgelegten Vorschlag für eine demilitarisierte Zone um die umkämpfte Stadt Sirte. Der Vorschlag sieht in einem ersten Schritt die Entwaffnung und Demilitarisierung der 130.000-Einwohner-Stadt vor.
Gerechtere Verteilung der Öleinnahmen angemahnt
Ein "verlässlicher Waffenstillstand" zwischen den Konfliktparteien sei die Basis, um auch in allen anderen Bereichen Fortschritte zu erzielen, sagte Maas. Entscheidend sei vor allem eine gerechtere Verteilung der Öleinnahmen. Die seit Januar andauernde Ölblockade durch die Truppen von General Chalifa Haftar habe Libyen bereits viele Milliarden Dollar gekostet, die nun beim Wiederaufbau und im Kampf gegen die Corona-Pandemie fehlten.
Verbale Unterstützung erhielt Maas von Russland und der Türkei. Die beiden Länder forderten mehr Anstrengungen von den Konfliktparteien in Libyen für ein Ende der Kämpfe. Sie müssten "reale Schritte" in Richtung eines nachhaltigen Waffenstillstands gehen, erklärte der Kreml nach einem Telefonat von Präsident Wladimir Putin mit dem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan. Das türkische Kommunikationsministerium teilte mit, die beiden Staatschefs hätten bei dem Gespräch die Bedeutung einer engen Kooperation und des Dialogs betont.
Bürgerkrieg seit 2011
Libyen ist seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 von gewaltsamen Konflikten geprägt. Nach monatelangen Kämpfen hatten sich die Gefechte in dem Land zuletzt etwas beruhigt. Mit militärischer Unterstützung der Türkei war es den Regierungstruppen von Al-Sarraj gelungen, die von Haftar angeordnete Offensive auf Tripolis abzuwehren. Haftars Verbündete wurden bis zur Küstenstadt Sirte zurückgedrängt. Sie ist für den Zugang zu den Ölreserven des rohstoffreichen Wüstenstaats von großer Bedeutung.
In der Stadt droht aber schon die nächste militärische Konfrontation. Die Regierungstruppen hatten Mitte Juli erklärt, sie von Haftars Libyscher Nationalarmee (LNA) zurückerobern und ihre Kontrolle über "das ganze libysche Hoheitsgebiet" ausdehnen zu wollen. Allerdings hat Ägypten für den Fall eines Angriffs auf Sirte damit gedroht, militärisch einzugreifen.
Maas hofft nun, dass das wie ein Weckruf wirken könnte. Es droht eine direkte militärische Konfrontation der Mächte, die sich in Libyen bisher nur indirekt über die Entsendung von Söldnern und Waffen eingemischt haben. Man habe damit eine Situation erreicht, "bei der allen Beteiligten noch einmal klar geworden ist, dass dies zu einer erheblichen militärischen Eskalation führen würde", sagte Maas in Tripolis.
Zahlreiche ausländische Akteure involviert
Al-Sarrajs Regierungstruppen werden vor allem von der Türkei und Katar unterstützt, Haftar von Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Ägypten. Für Deutschland ist eine Lösung auch wichtig, weil die chaotischen Zustände in Libyen das Geschäft von Schlepperbanden begünstigen, die Migranten illegal über das Mittelmeer nach Europa bringen.
Maas und Kanzlerin Angela Merkel hatten mit der Organisation eines Libyen-Gipfels in Berlin im Januar eine Vermittlerrolle in dem Konflikt eingenommen. Sie bemühen sich vor allem darum, die Einmischung von außen einzudämmen. Der bei dem Gipfel vereinbarte Stopp der Waffenlieferungen in das Land wurde bisher aber nicht in die Tat umgesetzt.