Nächste Lira-Krise in der Türkei - Kreditvergaben an Unternehmen werden beschränkt
Mittwoch 12.August.2020 - 10:07
Reaktion auf den jüngsten Kursverfall der Lira beschränkte die Türkei am Montag ein Stück weit die Kreditvergabe an Unternehmen. Devisenexperten sehen in den Maßnahmen wenig Aussicht auf Erfolg: „Egal, welcher Cocktail aus Bankensystemkosmetik oder partiellen Kapitalkontrollen zusammengemixt wird - den Trend der Lira wird er nicht umkehren können“, sagte Analyst Tatha Ghose von der Commerzbank. Strengere Kapitalkontrollen können seiner Einschätzung nach allenfalls für einen gewissen Aufschub sorgen.
Focus Online zufolge erwartet der Experte einen weiteren Abwärtstrend der Lira. Ghose umschreibt die Entwicklung als Ausbruch „mit Wucht“ aus dem Seitwärtshandel: „Welcher Interventionsmechanismus auch immer den Wechselkurs flach gehalten hat - er ist wohl gescheitert.“
Die türkische Lira rauscht derzeit hinab in ein tiefes Tal. Präsident Recep Tayyip Erdogan scheint sich aber keinerlei Sorgen um diese Entwicklung zu machen. Ganz im Gegensatz zu seinem Volk.
Die Talfahrt der türkischen Währung geht weiter. Nachdem die türkische Lira bereits in der vergangenen Woche Tiefstände erreicht hatte, markierte der Kurs zum Wochenauftakt Rekordtiefs im Handel mit dem US-Dollar und dem Euro. In der Nacht zum Montag wurden für einen Dollar 7,4084 Lira gezahlt und damit so viel wie noch nie. Etwa zeitgleich wurde für einen Euro ein Spitzenwert von 8,7217 Lira gezahlt.
Laut Handelsblatt sah Recep Tayyip Erdogan* die Abwertung der Lira noch am Wochenende gelassen. „Schwankungen passieren immer, so etwas kommt und geht“, erklärte der türkische Staatschef die jüngste Entwicklung. Die Einwohner der Türkei scheinen sich mehr Sorgen um ihr Erspartes zu machen. So sei nach offiziellen Angaben der Türkischen Zentralbank allein in den vergangenen Wochen von Inländern Geld im Wert von neun Milliarden US-Dollar in Devisen umgetauscht worden.
Bürger in der Türkei müssen wegen der Währungsschwäche deutlich mehr für importierte Waren zahlen und können sich bei Auslandsaufenthalten entsprechend weniger leisten. Vorteilhaft ist die Lira-Entwicklung dagegen für Türkei-Urlauber, denn so springt beim Umtausch mehr Geld heraus. Das könnte neben möglichen Corona-Rabatten ein weiterer Anreiz für eine Reise an den Bosporus sein.
Schwäche wegen Spannungen mit Griechenland
Marktbeobachter erklärten die aktuelle Kursschwäche der türkischen Währung mit neuen Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland im Streit um Erdgas im östlichen Mittelmeer. Ein türkisches Forschungsschiff soll in den kommenden Tagen nach Erdgas südlich der griechischen Insel Megisti (Kasteloriso) suchen.
Athen kündigte als Reaktion eine Sondersitzung des Regierungsrates für Außenthemen und Verteidigung (KYSEA) unter Vorsitz von Regierungschef Kyriakos Mitsotakis an. Zahlreiche Schiffe der Kriegsmarinen der beiden Nato-Staaten sind in dieser Region unterwegs, hieß es aus Quellen der Regierung in Athen.