Die Gefahr steckt sich hinter Scholz, dem Kandidat von SPD-Merkel
Montag 10.August.2020 - 09:35
„Ich will gewinnen“ sagt Scholz und nennt seine drei Schwerpunkte
Zu früh, falscher Kandidat, rein taktisch: Führende Unionspolitiker reagieren mit Kritik auf die Nominierung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten - dabei könnte er CDU und CSU durchaus gefährlich werden.
Nein, abgesehen vom frühen Zeitpunkt hat es in den Parteizentralen von CDU und CSU niemanden wirklich überrascht, dass Olaf Scholz von der SPD als Kanzlerkandidat nominiert wird. Andererseits, sicher konnte man sich auch nicht sein, waren die Schrumpf-Sozialdemokraten in der jüngeren Vergangenheit doch durchaus für Unvorhergesehenes gut. Beispiel Scholz: Auch in der Union rechnete man Ende vergangenen Jahres damit, dass der Bundesfinanzminister und seine politische Partnerin Klara Geywitz das Rennen um den Parteivorsitz gewinnen würden. Gewählt wurden schließlich Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.
Diesmal aber nun doch Scholz.
Die ersten prominenten Stimmen aus der Union klingen skeptisch. Friedrich Merz, der Ende des Jahres erst CDU-Chef werden und anschließend für die Union das Kanzleramt erobern will, sagt: "Der Kandidat passt nicht zur Partei." Sein Parteifreund Norbert Röttgen, ebenfalls Bewerber für den CDU-Vorsitz, nennt die Nominierung von Vizekanzler Scholz eine "taktische Lösung, die nicht glaubwürdig ist". Und Bayerns Ministerpräsident, der CSU-Vorsitzende Markus Söder, kritisiert die Personalie, weil damit aus seiner Sicht der Wahlkampf zu früh beginne. Söder macht sich angeblich Sorgen, die Scholz-Nominierung erschwere die Bekämpfung der Corona-Krise, er nennt den Zeitpunkt mit Blick auf die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung "verheerend".
Die Zahlen scheinen klar
Auf dem Papier wirkt die Sache ja auch klar: Auf 38 Prozent wird die Union derzeit in den Umfragen taxiert, die SPD kommt auf nur rund 15 Prozent. Die deutlich höher bewerteten Grünen seien der einzige verbliebene Halb-Wettbewerber im Bundestagswahlkampf, hörte man zuletzt regelmäßig aus der Union.
Aber so komfortabel ist die Situation mitnichten – und das wissen die Strategen bei CDU und CSU auch. Wie viel von den tollen Umfragewerten bei der Wahl in einem guten Jahr noch übrig ist, weiß niemand. Der Merkel-Bonus jedenfalls, den die Union aktuell wegen der wieder so beliebten Regierungschefin genießt, dürfte dann weg sein. Die CDU-Politikerin tritt schließlich nicht erneut an.
Drei zentrale Punkte als Kanzlerkandat
Für sein Programm als Kanzlerkandidat nannte Scholz drei zentrale Punkte: Zum einen gehe es um Respekt, um gerechte Löhne und sichere Arbeitsplätze. Zudem sei es zentral, die Zukunft mit Blick auf die Digitalisierung zu entwickeln. Und schließlich nannte Scholz Europa. Er sei sehr froh, dass sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten in der Corona-Krise solidarisch gezeigt hätten. Deutschland trage hierbei eine besondere Verantwortung.
Scholz will ein „Zukunftsprogramm für die 20er-Jahre“ vorstellen, sagte er. Deutschland sei ein erfolgreiches Industrieland. Es müsse so umgebaut werden, dass es weiter sehr gute Unternehmen geben werde mit digitalen Unternehmen, mit Firmen für den Klimaschutz, mit Wasserstoff-Unternehmen. Aber auch im digitalen Zeitalter gehe es um Arbeitnehmerrechte. „Vielleicht zum Schluss, ich freue mich über die Nominierung. Und: ich will gewinnen.“ Abschließend sagte er: „Wir stehen hier, weil wir eine Regierung anführen wollen.“
Scholz sagte auf die Frage, warum die Partei jetzt schon einen Kanzlerkandidaten küren wolle: „Wir trauen uns zu, dass wir erheblich über 20 Prozent abschneiden werden. Wir müssen jetzt rechtzeitig sagen, dass unser Land einen besseren Weg gehen kann mit der richtigen Partei.“ Auf die Frage, ob es nicht merkwürdig sei, dass er als Parteivorsitzender durchgefallen sei und jetzt als Kanzlerkandidat gekürt werden solle, sprach Scholz davon, dass die Partei in den vergangenen Monaten mehr zusammengewachsen sei.
Die Personalie Scholz war lange vermutet worden, ist in der Partei aber zugleich extrem umstritten. „Wir wissen, dass diese Entscheidung für einige eine unerwartete Wendung darstellt“, erklärten auch die Parteichefs daher auf Twitter. „Wir bitten um Vertrauen in unseren Weg. Wir sind entschieden, diesen Weg gemeinsam zu gehen.“
Esken und Walter-Borjans galten lange als Gegner von Scholz. Sie setzten sich im vergangenen Jahr bei der Wahl des Parteivorsitzenden gegen ihn durch. Seitdem habe es einen „engen Schulterschluss“ und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Parteispitze, Fraktionsführung und den sozialdemokratischen Ministern gegeben, erklärten die Parteichefs.