Die Bruderschaft und der Aufruf zum Kalifat zwischen Strategie und Taktik
Aus der Literatur der Muslimbruderschaft (gegründet 1928) geht hervor, dass das Kalifat die an der sechsten Stelle ihres Ziels steht. So wird es in den berühmtesten Schriften der Muslim-Brüderschaft, dem "Manifest", festgehalten. In diesen Schriften werden die Projekte der Muslim-Brüderschaft genau angegeben und darunter
Hassan al-Banna, der Gründer der Gruppe, der in einer Schriftdie Aufgabe der Muslim-Brüderschaft erklärt: "Ich möchte die geforderten Arbeitsschritte aufzählen, die für eine gute muslimische Gesellschaft erforderlich sind: Der ehrliche Bruder, die Bildung des muslimischen Hauses/Familie, die Führung der Gemeinschaft, die Befreiung der Heimatländer und Reform der islamischen Regierungen. Sind diese Grundlagen etabliert, so kann das verlorene Kalifat wiederhergestellt werden, das uns allen unter einer Führung vereint“
Al-Banna beendet diese oben genannten Ziele wie er sie selbst nennt, mit dem obersten Ziel, das darauffolgen soll. Das Oberziel bezeichnet er als “Vorbild für die Welt", wodurch er andere Menschen zum Islam einladen will, um die islamische Religion zu verbreiten. Dieses Zielbedeutet, dass die Muslim-Brüder glauben, dass sie für die Verbreitung dieser heiligen Mission in der ganzen Welt von Gott gesandt sind. Al-Banna glaubt, dass sein Verständnis vom Islam die richtige sei. Deshalb macht er es zum Ziel der Gruppe der Muslim-Brüderschaft, dieses Verständnis vom Islam zu verbreiten. Er beschreibt die Aufgaben der Muslimen wie folgt:
"Oh Muslime. Dies ist die Rolle von Muslimen auf der Erde,nachdem der Prophet (Frieden sei auf ihn) gestorben ist. Muslime sollen den Koran weiter übertragen und davon die ganze Menschheit auf der Erde berichten. Sie müssen die Menschen zu einem von drei aufrufen und sie vor die Wahl stellen: Islam anzunehmen, Steuergeld für ihren Schutz unter der islamischen Herrschaft zu zahlen, weil sie nicht in der Armee teilnehmen wollen oder den Kampf. Derjenige der denIslam annimmt, ist ein Bruder, ihm steht von Rechten zu, was den anderen Muslimen zusteht und ihm sind die gleichen Aufgaben auferlegt, die den andern muslimischen Brüder auferlegt sind. Diejenigen, die das Steuergeld für den Schutzzahlen, wird dieser gewährt. Die Muslime müssen sie schützen und die Vereinbarungen mit ihnen einhalten. Derjenige, der gegen den Islam kämpfen, sollen auch bekämpft werden”
Es scheint, dass im Bewusstsein der Muslim-Brüder die Wahrnehmung fest verankert ist, dass das richtige Verständnis von der Religion die oben erwähnten Schritte beinhalten muss. Erst soll das Individuum mit den islamischen Werten aufgebaut werden, dann die Familie, darauf folgt der Gemeinschaft, die mit der Ideologie der Muslim-Brüderschaft vertraut ist und den Islam so andern Menschen weitervermitteln. Akzeptieren die Menschen den Islam nicht, müssen sie eines von zwei Alternativen wählen: Unter der muslimischen Herrschaft sicher leben, unter der Bedingung Steuergeld zu zahlen oder sie werden bekämpft.
Eindeutig ist, dass die Aussagen oben sich nicht von denAussagen der terroristischen Organisationen wie Al-Qaidaoder ISIS unterscheiden. Dieses Verständnis vom Islam ist aber nicht, was der Propheten Muhammed, Friede und Segenseien auf ihm, gelehrt hat. Der Prophet hat die Botschaft der Religion nicht mit Zwang kundgetan, wie sie dieses tun wollen. Diese Organisation will, dass die Menschen sich ihrerAutorität beugen, wenn nicht, sie bekämpf werden. Solche Ideologien lehrte der Prophet nicht.
Die Mitglieder der Muslim-Brüderschaft glauben an ein Bild von der Heimat, das nichts mit der Vielfalt des Nationalstaates zu tun hat. Heimat ist für sie nicht ein Land, auf dem alle Religionen, Sitten, unterschiedliche Gesellschaften und Menschenrassen leben können. Heimat ist für sieein Land, indem alle Menschen der Autorität der Muslimen unterworfen sein müssen. Der Islam hat laut ihnen die besten Prinzipien, die auf der Erde beste Lebensmöglichkeit für die Menschheit bietet. Al-Banna wollte diese Ideen in die Köpfe der jungen Leute pflanzen. Er schreibt, dass die „islamischenPrinzipen“die besten Prinzipien seien, die dem Menschen zum Guten auffordern und vor dem Bösen und der Tyranneibewahren. Der Islam hat die Grenzen des islamischenHeimatlandes erweitert. Al-Bana empfiehlt, für dieses islamische Heimatland zu arbeiten und sich dafür zu opfern.
Im Islam umfasst die Heimat:
1. Das kleine Heimatland, in dem man geboren ist,
2. das erstreckt sich dann auf die anderen islamischen Länder. Diese Länder sind für jeden Muslim eine Heimat, so entsteht die muslimische Heimat.
3. Dann entwickeltesich die Heimat zumerstenislamischen Reich, wofür unsere Vorfahren hart gekämpft haben, um Allahs Wort anderen zu vermitteln. Wir werden vor Allah danach gefragt, warum wir nicht versucht haben, das islamische Reich wiederherzustellen.
4. So erweitert sich das muslimische Heimatland, bis es die ganze Welt einschließt. Hörst du nicht die Worte Allahs, der Erhaben sagt: „Und kämpft mit ihnen, bis es keine Verführung mehr gibt und die Religion für Allah ist, und wenn sie aufhören, so gibt es keine Feindschaft, außer gegen die Unrechthandelnden.“
Diese Aufführung zeigt aus, dass die Idee vom Kalifat in den Schriften der Muslim-Brüderschaft verankert ist. Dabei ist das Streben nach Macht und der Wunsch nachKontrolle über die Welt im Bewusstsein der Muslim-Brüder von zentraler Bedeutung. Das kann man aus der Literatur und Schriften von Hassan al-Banna entnehmen.
Eine Frage, die sich hier stellt:Warum hören wir nicht in den Vorträgen und von den Rednern der Muslim-Brüdern nichtsüber das Kalifat? Sie sprechen über das Kalifat nicht und fordern es nicht öffentlich ein. Sie verwenden das Wort überhaupt nicht und die oben zitierten Passagen von Al-Banna werden in ihren Vorträgen nicht aufgegriffen. Wie kommt daszustande?
Die Antwort ist einfach. Die Gruppe glaubt an das Prinzip der "politischen Taktik", was bedeutet, die Fähigkeit die realeZiele zu verbergen und andere nicht mit einer Rede zuprovozieren, die die Ziele der Gruppe offenbart. Al-Bannasagte der Bruderschaft: "EuerAufrufistnochunbekanntunter den Menschen. Deshalb würdet ihr mit harten Worten bekämpft, wenn ihr sie jetzt verkündigt. Aber der Tag wird kommen, wenn die Menschen euren Aufruf verstehen und sich dann entscheiden“. Daher war die Gruppe darauf bedacht, aus taktischen Gründen das Kalifat nicht in ihren Reden zu erwähnen. Das kann für manche zurzeit nochirreführend sein.
Die Gruppe der Muslim-Brüder hatte damals einen hohenPreis für den offenen politischen Diskurs bezahlt und daraus haben sie gelernt. Damals hatte Al-Banna über das Kalifat offen geredet und geschrieben. Das führte zu seiner Ermordung im Februar 1949. Jetzt tun die Nachfolger es nicht mehr, weil sie die Konsequenzen kennen.
Deshalb war die Gruppe bestrebt, nach dem Tod des verstorbenenPräsidenten Gamal Abdel Nasser und dem Einsatz des verstorbenen Präsidenten Anwar Sadat sich alseine soziale und politische Bewegung zu etablieren, die auf westliche Werte in der Regierung ausgerichtet ist. Sie haben kein Interesse an der Regierung gezeigt und mussten ihre politische Identität erst verstecken.
Sie verschwanden von den politischen Parteien und blieben aber im Untergrund aktiv. Sie gingen in die ägyptischenUniversitäten und sprachen über ihre Ideologien und politischen Meinungen. Sie hatten die Wahlen der Studentenunion gewonnen, dann die professionellenGewerkschaftsräte, später die Parlamentswahlen und als letzter Schritt ist ihnen der Sprung an die Macht, nach der ägyptischen politischen Revolution am 25. Januar, gelungen. Diese Macht war so wie ein trojanisches Pferd, das die Muslim-Brüder langsam zähmten. Es ist ihnen gelungen.
Die Gruppe der Muslim-Brüder hat sich als eine politischePartei gezeigt, die den politischen Mechanismen der Demokratie folgen, um die Macht zu erreichen. Sie sprechen die Sprache der heutigen Zeit; die Sprache der Demokratie. Dabei verbergen sie ihr eigentliches Ziel, das Kalifat zu errichten. Sie verkaufen sich als sehr demokratische Partei, die sich für die demokratischen Maßstäbe des Westens in ihrer Regierung einsetzen und sprechen von Menschenrechten, Toleranz und die Wichtigkeit der freien Meinungsäußerung, um das gleiche Vokabular zu verwenden, wie die westlichen Regierungen. Sei machen dies mit dem Ziel, mit der Westen zu kooperieren. Wir sehen das nur als eine Taktik an, worunter das strategische Ziel (Errichtung des Kalifats) versteckt ist.