Bezahlt die Kanzlerin Helmut Kohls verlorene Wett jetzt aus ?
Montag 25.Mai.2020 - 11:10
In ihren letzten Berufsjahren trachten deutsche Bundeskanzler nach „unumkehrbaren“ Weichenstellungen. Sie treffen Grundsatzentscheidungen, aus denen klare politische Pfadabhängigkeiten entstehen: Die Nachfolger müssen sich darin bewegen, ob sie wollen oder nicht.
Helmut Kohl hat in seiner letzten Legislatur die Währungsunion durchgepaukt, Gerhard Schröder die Agenda 2010. Angela Merkel macht es ebenso: mit der Vereinbarung über 500 Milliarden Euro an gemeinschaftlichen Schulden für die besonders coronagebeutelten EU-Länder
Es ist ebenso mutig wie überheblich, das Land und Europa so zu prägen. Mutig ist die Einsicht, dass Europa mehr sein muss als die Bonität seiner Nationalstaaten. Überheblich ist der Anspruch der Unumkehrbarkeit.
Man behalf sich mit einer Wette: Der Euro werde die Volkswirtschaften Europas so schnell in einen Gleichklang bringen, dass eine koordinierte Steuer- und Schuldenpolitik quasi überflüssig würde.
Diese verlorene Wette will Angela Merkel nun auszahlen. Denn erst jetzt gibt es ein Zeitfenster für neue Pfadabhängigkeiten: Wie soll man beispielsweise den Iren nach einem möglichen ungeordneten Brexit erklären, warum Corona für Italien verheerend genug für einen Gemeinschaftsschuldtitel war, ein Shutdown Großbritanniens für Irland aber ohne Extraleistung verkraftbar ist?