Razzia in Berliner Salafistenszene: Betrug bei Corona-Soforthilfen
Freitag 08.Mai.2020 - 07:13
Wieder gibt es einen Verdacht des Subventionsbetrugs bei Corona-Soforthilfen. Diesmal im Fokus der Ermittler: die Salafisten-Szene. In Berlin sind am Donnerstagmorgen die Wohnungen und Autos von fünf Verdächtigen durchsucht worden, die der Salafisten-Szene zugerechnet werden. Rund hundert Beamte des polizeilichen Staatsschutzes waren im Einsatz.
Die Polizei teilte auf Twitter mit: „Die Beschuldigten sind verdächtig, betrügerisch ,Corona-Soforthilfen‘ bei der IBB (Investitionsbank Berlin, Anm. d. Red.) beantragt und erhalten zu haben.“ Weiter hieß es: „Wir konnten diverse Beweismittel sicherstellen – darunter auch Gelder – sowie eine Person festnehmen.“
Polizeisprecher Thilo Cablitz sagte: „Wir reden von stadtweiten Durchsuchungen.“ Die Tatverdächtigen seien zudem dem „inneren Kreis der ehemaligen Fussilet-Moschee“ zuzurechnen, die auch vom Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri aufgesucht wurde.
Beschuldigt wird ein 46-Jähriger, der demnach verantwortlich für die Moschee war auch ein Ladengeschäft betrieb. Der Mann stehe im Verdacht, mit seiner Lebensgefährtin die Corona-Krise ausgenutzt zu haben, um sich 18.000 Euro an Fördermitteln von der Investitionsbank Berlin durch falsche Angaben zu erschleichen. Tatsächlich hätten die beiden Sozialleistungen bezogen, so die Ermittler.
Betrug mit Corona-Hilfen: Polizei ermittelt in Salafisten-Szene
Zuvor waren Mitte April nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft die Räume einer nicht mehr als Gotteshaus genutzten Moschee durchsucht worden, die früher den Angaben zufolge in Verfassungsschutzberichten als Treffpunkt für Islamisten genannt wurde.
War das Geld für „Vorhaben dieser Szene“ gedacht?
Es werde nun untersucht, ob „die Zahlungen auch dazu dienen sollten, Vorhaben dieser Szene umzusetzen“, so die Generalstaatsanwaltschaft. Nach Behördenangaben konnten die Fördermittel der IBB dank des schnellen Zugriffs komplett gesichert werden.
Zudem wurden in den vergangenen Tagen Rechtsbelehrungen an die Antragsteller verschickt. „Vermutlich sehen einige jetzt, dass sie Geld beantragt haben, das ihnen nicht zusteht“, sagte der Sprecher. Bislang hat die Investitionsbank Berlin nach eigenen Angaben fast 1,8 Milliarden Euro ausgezahlt – das meiste davon an Kleinunternehmer mit bis zu fünf Angestellten.
Angesichts eines Ansturms auf die online beantragten Hilfen prüfte die IBB, über die die Auszahlung läuft, Anträge zunächst nur stichprobenartig. So wollte sie sicherstellen, dass Firmen schnell Hilfe bekommen, von denen sich viele in der Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht sehen.
Auch Berliner Clans stehen unter Betrugsverdacht
In der vergangenen Woche waren bereits Mitglieder arabischstämmiger Clans in Berlin unter Verdacht geraten, im großen Stil Corona-Soforthilfen erschlichen zu haben. Nach einem Bericht von „Spiegel TV“ stieß die Berliner Kriminalpolizei bei einer ersten Prüfung auf Hunderte Anträge, wie es in dem Bericht mit Berufung auf Informationen aus der Polizei hieß.
Finanzexperten der Polizei hatten dem Bericht zufolge Wohn- und Geschäftsadressen von mehreren Großfamilien mit den Daten der IBB abgeglichen. Dabei sei es zunächst nur um eine Anfangsrecherche gegangen, bei der die Polizei wenige Anschriften abfragte, die bereits aus früheren Verfahren aktenkundig waren. Über 250 Anträge auf finanzielle Hilfe hätten demnach zu den wenigen Clan-Adressen gepasst.
Investitionsbank Berlin: Bisher Ermittlungen in 220 Fällen
Zum aktuellen Stand der Ermittlungen wollten sich die Ermittler des LKA nicht äußern. „Solche Ermittlungen sind sehr komplex und dauern seine Zeit“, sagte der Berliner Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter e.V. (BDK), Daniel Kretzschmar, der „Berliner Morgenpost“. Man arbeite sehr eng und intensiv mit der Staatsanwaltschaft zusammen.
Nach Angaben der IBB laufen Ermittlungen zu Subventionsbetrug in bislang 220 Fällen. Mit weit mehr Fällen werde aber noch gerechnet, hieß es. In manchen Fällen wurden Soforthilfen von mehreren zehntausend Euro für Firmen beantragt, die es nicht gibt.
Gefälschte Webseiten fischen Daten von Unternehmern ab
Auch in anderen Bundesländern wird zu möglichen Betrugsfällen ermittelt. Nordrhein-Westfalen und Hamburg setzten das Antragsverfahren und die Auszahlungen zwischenzeitlich aus. Zuvor waren nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ im Internet Kopien des Antragsformulars aufgetaucht, gefälschte Webseiten fischten Daten von Unternehmern ab, mit denen dann die Hilfen beantragt wurden.
Laut dem Bericht haben es manche Länder den Betrügern leicht gemacht: Nordrhein-Westfalen hat das Verfahren komplett digitalisiert. In Bayern mussten Antragsteller nach dem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ noch Anfang April nicht einmal Steuer- und Personalausweisnummer angeben.
Nicht immer geht es bei zu viel gezahlten Hilfen um Betrug
Andere Länder sind vorsichtiger: Thüringen fordert einen unterschriebenen und eingescannten Antrag, auch Schleswig-Holstein besteht auf einen Antrag mit Unterschrift. In Mecklenburg-Vorpommern muss das Formular – ganz klassisch – per Post eingeschickt werden.
Und nicht immer geht es bei zu viel gezahlten Hilfen um Betrug: Wie ein Sprecher der Investitionsbank Berlin gegenüber der „Berliner Morgenpost“ sagte, haben schon mehr als 4000 Antragsteller Geld zurückerstattet. Insgesamt wurden der Bank bislang mehr als 36 Millionen Euro Soforthilfe zurückgezahlt. Man vermute hier „keinen Betrug, sondern versehentlich zu viel beantragte Soforthilfe“, so der Sprecher.
Bisher hat die Investitionsbank Berlin 1,8 Milliarden Euro ausgezahlt
Anfangs konnten bei den Soforthilfen drei verschiedene Summen in drei Modellen beantragt werden. „Wir gehen davon aus, dass in den meisten Fällen Fehler bei der Beantragung gemacht worden sind und jetzt das zuviel ausgezahlte Geld zurücküberwiesen wird“, sagte der Sprecher.