Direktor des Universitätsklinikums und Infektiologe: Öffnet die Schulen und überlässt dem Virus den Menschen
Montag 30.März.2020 - 02:57
Noch drei weitere Wochen Kontaktsperre! Klinikdirektor Ansgar Lohse (60) vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) befürchtet, dass diese Maßnahmen schwere medizinische Folgen haben werden.
„Die Betreuung von psychisch Kranken ist schwieriger geworden, die Familiensituation in engen Räumen birgt extremes Konfliktpotenzial und eine Wirtschaftskrise wirkt sich direkt auf die Sterblichkeit aus. Je länger die Maßnahmen andauern, umso mehr.“
Lohse mahnt deshalb, über Alternativen nachzudenken. „Ohne eine Impfung, die vor 2021 nicht kommen wird, kann die unkontrollierte Ausbreitung des Virus nur gestoppt werden, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen eine Immunität entwickelt. Die Epidemie wird sonst jedes Mal neu aufflammen, wenn wir die Maßnahmen lockern. Wir müssen zulassen, dass sich diejenigen, für die das Virus am ungefährlichsten ist, zuerst durch eine Ansteckung immunisieren.“
Der Infektiologe räumt ein, dass dieses Ziel der Herdenimmunität ein heikles Vorhaben sei.
In Großbritannien und den Niederlanden wurde es auch diskutiert, aber verworfen. Nur Schweden gewährt noch viele Freiheiten.
Doch Lohse ist überzeugt, es müssten und könnten Wege gefunden werden, die Entwicklung von Immunitäten durch Auseinandersetzung mit dem Virus möglichst sicher zu steuern. „Sowohl Kinder als auch die allermeisten von ihren jungen Eltern gehören nicht zur Risikogruppe. Je schneller diese Gruppe eine Infektion durchmacht, umso besser. Kitas und Schulen sollten deshalb bald wieder öffnen.
Gleichzeitig müssen wir die wirklichen Risikogruppen besser schützen. Wir haben immer noch zu wenige Maßnahmen für die Altenheime und die ambulante Pflege. Jede Pflegekraft muss eine Schutzmaske tragen.“
Welche Maßnahme genau und wo gelockert werden könne, müsse differenziert und abgewogen entschieden werden – etwa anhand der Durchseuchung und der Krankenhauskapazität einer Region. Lohse: „Eine Rolle spielt in den kommenden Monaten wahrscheinlich auch, dass man die Menschen, die eine Infektion bereits durchgemacht haben und somit immun sind, durch Tests identifizieren kann.“