Robert-Koch-Institut erhöht Infektionsrisiko für Deutschland auf „hoch“
Dienstag 17.März.2020 - 09:23
Hamburg (Spiegel) - Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die Bewertung des Gesundheitsrisikos für die deutsche Bevölkerung geändert: Bisher ging das RKI davon aus, dass für die Gesamtbevölkerung ein "mäßiges" Risiko besteht - "wir schätzen das Risiko für die Gesundheit in Deutschland nun als 'hoch' ein", sagte RKI-Chef Lothar Wieler beim täglichen Pressebriefing des Instituts. Grund für die Änderung seien die rapide steigenden Fallzahlen sowie die Alarmsignale, die das RKI aus den nationalen Gesundheitsämtern und den Kliniken erreichten.
Daher sei es jetzt umso wichtiger, dass sich die Deutschen an die seit Montag verhängten Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens hielten. "Wir betreiben weiterhin die Strategie der Eindämmung, um die Behandlungskapazitäten nicht zu überfordern", sagte Wieler. "Denn jede Infektionskette, die wir vermeiden können, verhindert eine weitere Ausbreitung." Mittlerweile gebe es jedoch immer mehr Fälle in Deutschland, die nicht zurückverfolgt werden können.
In Deutschland waren am Dienstag landesweit 6012 Krankheitsfälle und 13 Todesfälle gemeldet. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Fallzahlen wesentlich höher sind", sagte Wieler. Doch aufgrund der limitierten Testkapazitäten und einem Meldeverzug von etwa drei bis vier Tagen, könne man die tatsächlichen Zahlen nur schätzen. "Das beziehen wir aber in unsere Überlegungen mit ein", sagte Wieler.
"Wenn wir es nicht schaffen, die Ausbreitung zu verlangsamen, müssen wir damit rechnen, dass wir in den kommenden Monaten mehrere Millionen Krankheitsfälle haben", sagte Wieler. Um die Gesundheitsämter zu unterstützen, bilde das RKI Studierende aus, die bei der Kontaktnachverfolgung helfen sollen. Man entwickle außerdem digitale Werkzeuge, die die Arbeit der Gesundheitsämter beschleunigen sollen. "Es geht nun darum, die Kapazitäten des Gesundheitswesens so hoch wie möglich zu fahren", sagte Wieler. "Wir erwarten von allen Krankenhäusern, dass sie ihre Intensivkapazitäten mindestens verdoppeln."
Laut Website des RKI gehen in die Risikobewertung der jeweils verfügbare aktuelle Kenntnisstand zur internationalen Situation, der Ist-Zustand der epidemiologischen Lage in Deutschland und die Verfügbarkeit von Schutz- und Behandlungsmaßnahmen ein. Dazu betrachtet das RKI folgende Informationen:
Übertragbarkeit: Fallzahlen und Trends zu gemeldeten Fällen gemäß Infektionsschutzgesetz in Deutschland und anderen Ländern
Schwereprofil: Anteil schwerer, klinisch kritischer und tödlicher Krankheitsverläufe in Deutschland und anderen Ländern
Ressourcenbelastung des Gesundheitsversorgungssystems in Deutschland und anderen Ländern: Dabei werden die jeweils getroffenen Maßnahmen berücksichtigt sowie alle prinzipiellen Möglichkeiten der Prävention und Kontrolle
Die höchste Stufe, die vom RKI genannt werden kann, ist "sehr hoch" - diese Einschätzung treffe auch für einige Regionen in Deutschland zu, sagte Wieler, etwa für den Landkreis Heinsberg. "Die Gefährdung variiert von Region zu Region."