Xavier Naidoo schürt in einem Video den Hass auf Flüchtlinge und sorgt für Eklat
Mittwoch 11.März.2020 - 08:15
Berlin (Spiegel) - "Ihr seid verloren", singt er. Weit und breit sei kein Mann, der dieses Land noch retten könne. "Hauptsache es ist politisch korrekt, auch wenn ihr daran verreckt. (...) Was, wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt?" Diese Zeilen stammen offenbar von Xavier Naidoo. Ein im Internet aufgetauchtes Video zeigt mutmaßlich den populären Sänger aus Mannheim mit Sonnenbrille und Pullover, das Lied offenbar in einen aufgeklappten Laptop singend.
Die darin enthaltenen Metaphern sind leicht als rassistisch erkennbar, mit "Gast" scheint der Sänger deutlich auf Geflüchtete anzuspielen. Auch die anderen Verse reproduzieren rechtspopulistische Denkmuster. Das Video endet mit dem Appell: "Lasst uns das beenden und zwar nun".
Wann Naidoo das Video aufgenommen haben könnte und zu welchem Zweck, ist bisher nicht klar. Auch ob das Video tatsächlich Naidoo zeigt, ist nicht verifiziert. Eine SPIEGEL-Anfrage an Naidoo blieb unbeantwortet. Der Sender RTL, bei dem Naidoo als Juror an der Castingshow "DSDS" teilnimmt, reagierte irritiert auf das Video. "RTL distanziert sich ganz klar von Rassismus in jeglicher Form", hieß es. Man wolle nun mit Naidoo klären, was es damit auf sich habe. Man erwarte klare Antworten von ihm.
Auf Facebook habe das Video als einer der Ersten der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka geteilt, fand der Journalist Felix Huesmann heraus. Anschließend war das Video offenbar von Rechtspopulisten weiter verbreitet worden. Naidoo kritisiere damit die Flüchtlingspolitik, postete etwa ein rechter Meinungsmacher zu dem knapp eine Minute langen Ausschnitt.
Auf Twitter sorgte das Lied vielfach für Empörung und Kritik. "Dieses Video macht mich einfach so fucking wütend. Nicht unbedingt das, was er sagt, weil das nicht wirklich neu ist. Sondern weil Naidoo das einfach machen kann und keine Konsequenzen befürchten muss. Weil es halt seine "Meinung" ist", schrieb etwa der Comedian Oğuz Yılmaz.
"Keine Bühne für Rassisten und geistige Brandstifter. Erst recht nicht nach Hanau, Halle, Kassel!", twitterte der für den Grimme-Preis nominierte Journalist und "Monitor"-Moderator Georg Restle.
Dass das Lied der Sichtweise des Attentäters von Hanau ähnele, analysierte indes die Journalistin Karolin Schwarz auf Twitter. Auch dieser habe davon gesprochen, dass jeden Tag ein Mord durch einen Geflüchteten geschehe. Recherchen wiesen vielfach nach, dass dies keineswegs der Wahrheit entspräche.
Laut Recherchen von "T-Online" seien weitere Ausschnitte aus dem Video von einem Nutzer namens "Xavier N." in einer Telegram-Gruppe geteilt worden, dessen Echtheit bisher nicht feststeht. Versehen seien die Ausschnitte mit der Grußformel "patriotische Grüße" und der Bemerkung, es handele sich um einen Refrain eines neuen Albums.
Naidoo fiel in der Vergangenheit immer wieder mit umstrittenen Äußerungen auf. Am Tag der Deutschen Einheit 2014 beispielsweise sprach er in Berlin bei einer Demonstration der sogenannten Reichsbürger, die die staatliche Ordnung in Deutschland ablehnen. Auch in seinen Liedtexten bediene der Sänger antisemitische Codes und Chiffren, wurde er in den vergangenen Jahren vielfach kritisiert. Etwa wegen des Songs "Raus aus dem Reichstag" (2009) oder dem Lied "Marionetten" seiner Band Söhne Mannheims, an dem Naidoo als Mitautor beteiligt ist. Darin heißt es über Politiker unter anderem: "Teile eures Volks nennen euch schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter." Zudem bezeichnet er sie als "Volks-in-die-Fresse-Treter" und singt, es helfe "kein Verstecken hinter Paragrafen und Gesetzen", wenn "der wütende Bauer mit der Forke" dafür sorgt, "dass ihr einsichtig seid".
Einen Antisemiten darf man Naidoo allerdings nicht nennen, obwohl seine Texte antisemitische Klischees.enthalten. Das urteilte das Oberlandesgericht Nürnberg im vergangenen Herbst. Eine Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung hatte 2017 über den umstrittenen Sänger bei einer Veranstaltung gesagt: "Er ist Antisemit, das darf ich, glaube ich, aber gar nicht so offen sagen, (...), aber das ist strukturell nachweisbar." Die Stiftung setzt sich gegen Rechtsextremismus ein.