Bundesregierung wirft die Türkei vor, Flüchtlinge „in Sackgasse“ geschickt zu haben
Dienstag 10.März.2020 - 09:58
Berlin (Welt) - Die Schuld für die Eskalation an der EU-Außengrenze Griechenlands zur Türkei ist nach Einschätzung der Bundesregierung vor allem bei der Türkei zu suchen. „Die Türkei, ganz klar, trägt die Verantwortung dafür, diese verzweifelten Menschen in eine Sackgasse geschickt zu haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Die Türkei hat ihre ernst zu nehmenden Sorgen, die die Europäische Union wahrnehmen muss und über die sie mit der Türkei sprechen muss, leider auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen“, sagte er mit Blick auf den jüngsten Andrang von Migranten an der Grenze zu Griechenland.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende Februar erklärt, die Grenze zur EU sei für Migranten offen. Tausende machten sich daraufhin auf den Weg Richtung EU. EU-Vertreter warfen Erdogan mehrfach vor, die Staatengemeinschaft erpressen zu wollen und Migranten dafür zu instrumentalisieren. Seibert sagte, im Umgang mit Flüchtlingen und anderen Migranten müsse es Ordnung und Humanität geben.
„Das heißt, illegale Grenzübertritte können nicht erzwungen werden, schon gar nicht mit Gewalt“, sagte Seibert. Alle staatlichen Maßnahmen müssten allerdings die Verhältnismäßigkeit beachten. Auch gelte das staatliche Gewaltmonopol. „Es sind allein die staatlichen Kräfte, die entlang von Europas Außengrenzen für Ordnung sorgen. Selbst ernannte Bürgerwehren und oder erst recht von Ferne anreisende Rechtsextremisten haben da nichts zu suchen“, sagte er.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte die Türkei auf, Flüchtlinge und Migranten von der griechischen Grenze zu entfernen. Eine Lösung der Lage erfordere, dass der Druck von der Grenze genommen werde, sagte sie. Ebenso dringend notwendig sei es, Unterstützung für Griechenland und die Türkei sowie das Recht auf Asyl zu gewährleisten. Menschen, die auf den griechischen Inseln gestrandet seien, vor allem Minderjährige, müssten aufs europäische Festland gebracht werden.
Am Abend wollten die EU und die Türkei versuchen, die tiefen Gräben zu überwinden. „Wir haben unterschiedliche Meinungen zu verschiedenen Punkten und deshalb ist es wichtig, einen klaren und offenen Dialog zu führen und zu schauen, wie wir die verschiedenen Probleme überwinden können“, sagte EU-Ratschef Charles Michel vor einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in Brüssel. Erdogan betonte: „Wir wollen die Beziehungen zwischen der Türkei und Europa – so Gott will – deutlich stärken.“
Angesichts der Not der Flüchtlinge in Griechenland einigten sich Union und SPD in der Nacht zu Montag darauf, besonders schutzbedürftige Kinder in Deutschland aufnehmen. Athen solle bei der „schwierigen humanitären Lage von etwa 1000 bis 1500 Kindern auf den griechischen Inseln“ unterstützt werden, hieß es im Koalitionsbeschluss. Auf europäischer Ebene werde derzeit verhandelt, um in einer „Koalition der Willigen“ die Übernahme dieser Kinder zu organisieren.