Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Dank Erdogans Politik, Lira steckt erneut in Gefahr

Dienstag 11.Februar.2020 - 03:41
Die Referenz
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Berlin (Focus) - Innerhalb weniger Monate werde der türkische Leitzins im einstelligen Bereich ankommen, schrieben Goldman-Sachs-Analysten der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge jüngst. „Die Verantwortlichen werden Wachstum priorisieren und die Leitzinsen so weit wie möglich reduzieren, ohne die Lira zu destabilisieren“, zitierte Bloomberg die Analysten der Bank.

Damit werde aber auch die türkische Lira wieder unter Druck geraten. „Die jüngste Inflationsdynamik und das Wachstum der Geldmengen erhöhen unserer Ansicht nach das Risiko neuer Lira-Volatilität“, so das Fazit der Banker. Dabei hat die türkische Zentralbank trotz der hohen Inflation im Land den Leitzins seit vergangenem Juli bereits mehr als halbiert – von 24 Prozent auf nur noch 11,25 Prozent.

Erdogan wünscht sich noch tiefere Zinsen
Doch selbst das war Präsident Recep Tayyip Erdogan bislang zu wenig. Erdogan ist bekennender Feind hoher Zinsen. Beobachtern zufolge hänge das einerseits mit Erdogans religiösen Ansichten zusammen, da Zinswucher im Islam besonders geächtet wird. Auf der anderen Seite ist Erdogan auch davon überzeugt, dass niedrige Zinsen effektiv gegen Inflation wirken – ein direkter Gegensatz zu den Ansichten der meisten Ökonomen und Notenbanker.

Die Leitzinsen in der Türkei dürften darum weiter sinken. Im vergangenen Sommer erst schmiss Erdogan den Notenbankchef Murat Cetinkaya raus, weil sich dieser gegen zu drastische Zinssenkungen stellte. Cetinkayas Nachfolger Murat Uysal wiederum läutete seine Amtszeit prompt mit einem Zinsschnitt von 425 Basispunkten – oder 4,25 Prozent – ein.

Die Goldman-Analysten erwarten, dass der Leitzins bis zum Quartalsende auf 10,75 Prozent sinken wird, bis zum Ende des zweiten Quartals auf nur noch 10 Prozent, und schließlich auf 9,75 zum Ende des dritten Quartals hin. Dort wiederum werde der Leitzins bis Jahresende bleiben, so die Prognose. Vorige Schätzungen waren noch von einem Leitzins von elf Prozent bis zum Ende des zweiten Quartals ausgegangen.

Inflation steigt unerwartet stark
Sofern die Inflation allerdings nicht schneller als der Leitzins fällt, wird der Realzins in der Türkei weiter negativ bleiben. Im Januar betrug der Preisauftrieb 12,15 Prozent, die höchste Rate der letzten fünf Monate. Zum zweiten Mal in Folge beschleunigte sich die Inflation darüber hinaus stärker als erwartet, wie Bloomberg anmerkte.

Der deutliche Anstieg der Inflation im Januar – den auch Devisenexperten der Commerzbank als erneutes Risiko für die Lira bezeichneten – ließ den Kurs der Lira Anfang Februar unter sechs Lira je Dollar fallen. Zum ersten Mal seit Mai fiel der Kurs unter diese Marke, die türkische Staatsbanken laut Bloomberg zuvor verteidigt hatten.

Auch zum Euro verlor die türkische Lira zuletzt. Zuletzt war ein Euro 6,570 türkische Lira wert. Noch vor etwas weniger als einem Jahr hatte der Euro weniger als sechs Lira gekostet. Allerdings ist das Währungspaar EUR/TRY noch ein gutes Stück von seinem 52-Wochen-Hoch bei rund sieben Lira je Euro entfernt, während der Dollar-Lira-Kurs diesem schon weitaus näher gekommen ist.

Sollte die türkische Zentralbank die Zinsen bei gleichbleibend hoher Inflation tatsächlich so schnell drücken wie von Goldman erwartet, dürfte die Lira weiter an Boden verlieren. Die Notenbanker des Landes scheinen sich aber nicht zu sorgen. Deren Inflationsprognose nämlich sieht eine Teuerung von 8,2 Prozent für dieses Jahr vor – unter dem Leitzins, den Goldman Sachs voraussieht.

Weniger Gebühren sollen Geldfluss ankurbeln
Auch an anderer Stelle bemühen sich die Notenbanker, den Cashflow anzukurbeln. Banken sollen nach dem Willen der türkischen Zentralbank weniger Gebühren auf für Transaktionen von Privatkunden verlangen. Das berichtet "Bloomberg". Damit reagieren die Währungshüter auf Beschwerden von Kunden, die sich über zu hohe Kosten und mangelnde Transparenz beklagt hatten. Sadrettin Bagci, Analyst von Deniz Invest, erwartet, dass staatliche Banken stärker unter den neuen Vorgaben leiden werden als Privatbanken - sie arbeiten bisher mit den höchsten Gebühren. Die Transaktionskosten machen aktuell 12 Prozent des Bankumsatzes aus.

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