AKK-Rücktritt: "Schwere Niederlage für Angela Merkel"
Dienstag 11.Februar.2020 - 03:37
Berlin (N-Tv) - Die italienische Zeitung "Corriere della Sera" kommentiert über die politische Krise in Deutschland: "Das alles heißt: Angela Merkel kann ihre Partei nicht mehr hinter sich sammeln. Mehr noch, vielleicht scheint sie zum ersten Mal ihr Gespür für die Macht verloren zu haben." Entschlossen, Kanzlerin zu bleiben, habe sie ihre Position aufgegeben, dass beide Posten zusammengehören. "Zudem war es eine große persönliche und politische Fehleinschätzung, ihr ganzes Gewicht für AKK in die Waagschale zu werfen, nur um dann zu sehen, wie diese Missgriffe, Fehler und Wahlniederlagen sammelte", kommentiert die Zeitung. "Und jetzt, wo sie das korrigiert hat, muss sie erkennen, dass ihr Schritt womöglich zu schwach und zu spät kam." Es sei nicht mehr Merkel, "die über ihre eigene Zeit an der Macht entscheidet".
Die liberal-konservative dänische Tageszeitung "Berlingske" aus Kopenhagen spricht von einem "Sturz von AKK". Dieser sei der "Höhepunkt einer wachsenden internen Kluft bei den Christdemokraten, die sich fast fünf Jahre nach der Flüchtlingskrise schwertun, Antworten auf die Herausforderung der Alternative für Deutschland zu finden". Das Versagen sei aber Merkel selbst zuzuschreiben, die die lokalen CDU-Kräfte vor allem in den östlichen Ländern alleingelassen hat. "Solange Angela Merkels CDU so tut, als wenn die AfD mit Nazi-Prädikaten und moralischen Verurteilungen und nicht mit Ursachenbekämpfung und konkreter Politik eliminiert werden könne, wird Annegret Kramp-Karrenbauer kaum das letzte bürgerliche Skalp der AfD sein", schreibt die Zeitung.
Die konservative Pariser Zeitung "Le Figaro" sieht die CDU vor zwei Optionen: "Entweder wählen die Christdemokraten einen Vertreter der Mitte nach dem Vorbild von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er könnte ein Bündnis mit den Grünen schließen und die Kanzlerschaft eventuell ihrem beliebten Parteichef Robert Habeck überlassen. Oder aber die CDU beruft Merkels Intimfeind Friedrich Merz, um die Ultrarechten zu jagen und die Wähler zurückzuholen, die aus Enttäuschung über die Flüchtlingspolitik in Scharen zur AfD abgewandert sind." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setze jenseits des Rheins inzwischen auf die Grünen, um seine europäischen Ambitionen umzusetzen, heißt es weiter.
Die russische Tageszeitung "Kommersant" schreibt zu dem Thema: "Das politische System in Deutschland steckt in einer schweren Krise. Sie könnte sogar zum Ende der Regierung von Angela Merkel und zu vorgezogenen Wahlen führen. (…) Während das Orkantief 'Sabine' über Deutschland hinwegzog, (...) wurde am Montag klar: Ein viel zerstörerischer Sturm traf die Partei der Bundeskanzlerin Merkel."
Schließlich heißt es im Züricher "Tages-Anzeiger": "Ihr Scheitern war und ist aber nicht nur ihr eigenes, es ist auch eine schwere Niederlage für Angela Merkel. Die 65-jährige Kanzlerin muss ihren Wunsch, in Kramp-Karrenbauer eine ähnlich gesinnte Nachfolgerin heranreifen zu sehen, begraben." Je machtloser die Parteichefin wirkte und je unbeliebter sie wurde, desto unersetzlicher habe Merkel gewirkt. "Als Quasipräsidentin schien sie über den Niederungen der Politik zusehends zu schweben. Auch im 15. Jahr ihrer Kanzlerschaft wies eine Umfrage sie gerade wieder als beliebteste Politikerin des Landes aus. Mit ihrem plötzlichen Rückzug stößt Kramp-Karrenbauer ihre Partei nun erst recht in eine schwere Krise. Welche Kräfte übernehmen künftig die letzte verbliebene deutsche Volkspartei? Könnte sich die CDU in den nächsten Jahren sogar spalten, sollten die Fliehkräfte weiter zunehmen? Und kommt jetzt das Ende der Ära Merkel doch noch abrupter, als man zuletzt meinte?" Vieles sei in der deutschen Politik dieser Tage unsicher geworden wie selten zuvor, heißt es.
Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" schreibt: "Damit ist die Zukunft der größten Partei Deutschlands wieder offen, ebenso wie die Frage, ob die Große Koalition unter Führung von Angela Merkel bis 2021 bestehen bleibt." Ob die Regierung in Berlin die Wachablösung bei der CDU überlebt, hänge auch von der SPD ab. "Je konservativer der neue Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die SPD die Große Koalition platzen lässt. Das ist bei den jetzigen linken Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans so gut wie sicher." Theoretisch bestehe die Möglichkeit, dass Merkel selbst begreift, dass sie im Interesse der Zukunft ihrer Partei lieber zurücktreten sollte. "Aber mit Blick auf die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab Juli scheint das eher unwahrscheinlich."