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Merkel mahnt Erdogan an: Die Freiheit der Wissenschaft in Türkei ist in Gefahr

Freitag 24.Januar.2020 - 11:30
Die Referenz
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Ankara (Tagesspiegel) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei einem Besuch in der Türkei mehr gesellschaftliche Freiheit gerade an Hochschulen und in der Forschung angemahnt. "Je größer die wissenschaftliche Freiheit ist, desto größer ist auch der wissenschaftliche Ertrag", sagte Merkel am Freitag in Istanbul bei der Eröffnung des Campus der Türkisch-Deutschen Universität mit Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Tausende Wissenschaftler sind entlassen worden

Sie selbst habe in der DDR erlebt, wie mangelnde Freiheit die Wissenschaft behindere. Hintergrund ist die restriktive Innenpolitik Erdogans gegenüber Medien, Wissenschaftlern und der Zivilgesellschaft.

Auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) mahnte: "Für den Erfolg der Universität wird wichtig sein, dass an ihr Wissenschaftsfreiheit und Redefreiheit herrschen." Ein kritischer Dialog sei "der Kern und die Voraussetzung für Wissenschaft", teilte Karliczek am Freitag mit.

Die Türkisch-Deutsche Universität (TDU) wurde bereits 2008 auf Basis eines bilateralen Regierungsabkommens gegründet. Die TDU ist eine staatliche türkische Einrichtung, in einem Konsortium beteiligt sind aber auch 38 deutsche Hochschulen. So hat jeweils eine deutsche Uni die Koordination für eine der fünf Fakultäten der TDU übernommen, die Freie Universität Berlin etwa für die Rechtswissenschaftliche Fakultät. Im Herbst 2013 startete der Lehrbetrieb, jetzt wurde der Campus in Istanbul fertiggestellt.

Die Mahnung der Kanzlerin in Anwesenheit Erdogans fällt in eine Zeit, in der noch immer viele Tausend türkische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ihren Universitäten ausgeschlossen sind. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 geht das Erdogan-Regime massiv gegen die Wissenschaft vor - mit Verhören, Entlassungen, Prozessen und Inhaftierungen. Viele mussten ins Exil gehen, darunter auch nach Berlin.

Im Frühjahr 2018 war es erneut zu einer Verhaftungswelle gegen Studierende der Bogaziçi-Universität in Istanbul gekommen. Sie hatten gegen die Besetzung der nordsyrischen Stadt Afrin durch das türkische Militär protestiert.

Kürzlich beschrieb die Organisation Scholars at Risk (SAR) die Türkei in ihrem Jahresbericht für 2019 als eines der Länder, in denen die Wissenschaftsfreiheit weltweit am stärksten gefährdet sei. Schon im vierten Jahr in Folge sei ein Anstieg der Gewalt gegen die Wissenschaftler zu verzeichnen. Wer eine kritische Petition unterzeichne oder sich mit Leuten zeige, die bereits in Ungnade gefallen sind, würde schnell zum Verräter erklärt, hieß es.
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