Vor Merkels Besuch: Türkei wirft EU Bruch des Flüchtlingsdeals vor
Donnerstag 23.Januar.2020 - 04:00
Berlin (Zeit) - Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ankara der EU vorgeworfen, gegen das Flüchtlingsabkommen zu verstoßen, indem sie die zugesagten Gelder nicht vollständig gezahlt zu haben. "Wir halten uns an das Abkommen und nehmen alle Flüchtlinge zurück, die zurückgeschickt werden. Was ist mit der EU?", sagte Çavuşoğlu der Bild. Die EU habe versprochen, Ende 2016 die ersten drei Milliarden Euro zu zahlen, Ende 2018 weitere drei, sagte der Minister und klagte: "Jetzt haben wir 2020, und wir haben noch immer nicht die ersten drei Milliarden Euro vollständig erhalten."
Neben den finanziellen Zusagen seien auch andere Vereinbarungen nicht erfüllt worden: "Es gab keine Erweiterung der Zollunion und auch kein neues Kapitel der EU-Beitrittsverhandlungen", kritisierte Çavuşoğlu. "Schon allein aus den Gründen (...) hätten wir unsere Grenzen öffnen können", sagte der Minister. Trotz aller Kritik sei die Türkei aber für eine Fortsetzung des Abkommens.
Im Zentrum des Flüchtlingsabkommens der EU mit der Türkei von 2016 steht ein Tauschhandel: Die EU darf alle Migranten, die seit dem 20. März 2016 illegal die griechischen Inseln erreicht haben, in die Türkei zurückschicken. Dafür könnte jeden zurückgeschickten Syrer in die Türkei seit dem 4. April 2016 ein anderer Syrer aus der Türkei legal in die EU kommen. Zudem wurden insgesamt sechs Milliarden Euro zur Verbesserung der Lebensbedingungen syrischer Flüchtlinge in der Türkei vereinbart. Auch hatte die EU der Türkei einen schnelleren Verzicht auf die Visapflicht in Aussicht gestellt.
Die EU hat im vergangenen Herbst darauf verwiesen, dass aus den zugesagten Mitteln bereits 5,8 Milliarden Euro zugewiesen seien. Jedoch seien erst 2,6 Milliarden ausgezahlt. EU-Mitarbeiter in der Türkei sagen, dass sie türkische Offizielle immer wieder darauf hinweisen müssten, dass die Gelder projektgebunden und nicht für den Haushalt gedacht seien.