Große Kritik: Erdogan eröffnet seinen Sender „TRT“ in Deutschland
Berlin (Bild) – Am Montagmorgen ging „TRT Deutsch“ an den Start, der erste deutschsprachige Ableger des öffentlich-rechtlichen türkischen Rundfunks TRT. Im Oktober hatte Programmdirektor Serdar Karagöz angekündigt, „TRT Deutsch“ würde „die sozialen Probleme und Missstände in Deutschland und Europa unter die Lupe nehmen“.
Als Hauptquartier dienen nach BILD-Informationen mehrere Büros, die man im prestigeträchtigen „Haus der Bundespressekonferenz“ im Zentrum Berlins angemietet hat.
Sowohl der Muttersender TRT als auch „TRT Deutsch“ werden mehrheitlich aus türkischen Steuergeldern, einer zweiprozentigen Abgabe aus den Stromeinnahmen der Türkei und dem Staatshaushalt bezahlt.
Dem türkischen Muttersender wird immer wieder vorgeworfen, unter Präsident Recep Tayyip Erdogan (65) zum Sprachrohr der Regierung geworden zu sein. Mitgliedern der Regierungspartei AKP werde ein Vielfaches an Sendezeit und positive Berichterstattung vor Wahlen eingeräumt, die Außenpolitik des Präsidenten werde ausschließlich bejubelt.
Wird „TRT Deutsch“ zur türkischen Version des russischen Propaganda-Senders „RT Deutsch“? Einiges deutet darauf hin.
So empfing Erdogan den Chefredakteur von „TRT Deutsch“, Kaan Elbir, und mehrere Mitarbeiter der neuen Redaktion im Dezember in seiner Gästevilla in Istanbul. „Es war mir eine Ehre, als Teil des neuen TRT-Deutsch-Teams den türkischen Präsidenten Erdogan zu besuchen“, schrieb einer der Redakteure danach bei Twitter.
Antreten beim Staatsführer kurz vor dem Sendestart – mehr hätte man dem selbst ausgerufenen Ziel, eine „anspruchsvolle und vertrauenswürdige Informationsquelle“ in Deutschland zu werden, wohl kaum schaden können.
Auch was das Verhältnis zum deutschen „Mainstream“, also der vielschichtigen Medienlandschaft von FAZ bis „Süddeutsche“, BILD bis „Spiegel“ und öffentlich-rechtlichen Medien angeht, ähneln sich die Aussagen des türkischen „TRT Deutsch“ und des russischen „RT Deutsch“.
Auf seiner Homepage erklärt „TRT Deutsch“:* Wir durchleuchten aktuelle Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven und legen alternative Themen auf den Tisch, die in den Mainstream-Medien kaum Beachtung finden.
Ganz ähnlich heißt es auf der Internetseite von „RT Deutsch“: Mit dem deutschsprachigen Programm will RT einen Gegenstandpunkt zum einseitigen und oft interessengetriebenen Medien-Mainstream beziehen.
Auch personell gibt es Überschneidungen: Einer der neuen Redakteure von „TRT Deutsch“ arbeitete von 2017 bis 2019 bei „RT Deutsch“. Er schrieb Dutzende Artikel, in denen er die Rolle Europas und der USA im Nahen Osten kritisierte. Ali Özkök wird auf der Seite der russischen Staatspropaganda weiterhin als „Online-Redakteur“ geführt, arbeitetet nun aber offenbar für die türkischen Staatsnachrichten in Berlin.
Chefredakteur Kaan Elbir arbeitete bis Ende 2018 bei der Erdogan-treuen Zeitung „Daily Sabah“, deren türkische Mutter „Sabah“ immer wieder mit schlimmer Hetze gegen Deutschland auffiel. So titelte „Sabah“ im März 2017 an BILD und Deutschland gerichtet: „Ihr kämpft umsonst. Eure Macht reicht nicht, um die Türkei aufzuhalten.“
Zusammengenommen steht die Glaubwürdigkeit von „TRT Deutsch“ als journalistisches Medium von Beginn an unter keinem guten Stern. Abzuwarten bleibt, ob sich der Sender (wie „RT Deutsch“ für Russlands Präsident Putin) propagandistischer Methoden zugunsten Erdogans bedienen oder seinem Versprechen („Wir setzen uns für eine plurale, freiheitlich-demokratische Gesellschaft ein“) gerecht werden wird.