GroKo stellt Migrationsbericht vor: Mehr EU-Bürger und wenige Flüchtlinge wandern nach Deutschland zu
Mittwoch 15.Januar.2020 - 03:04
Berlin (Handelsblatt) - Die Migration nach Deutschland wandelt sich. Die Zuwanderung von Menschen auf der Flucht ist in den vergangenen drei Jahren zurückgegangen, aber es kommen mehr Menschen nach Deutschland, um zu studieren und zu arbeiten. Das zeigt der neue Migrationsbericht der Bundesregierung, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat.
Die Zahl von Schutzsuchenden aus Syrien ging weiter zurück. 2018 machten Zuzüge aus Syrien nur einen Anteil von 1,9 Prozent an der Gesamtzuwanderung aus. 2017 waren es noch 3,3 Prozent. Auch aus dem Irak und aus Afghanistan kamen im Vergleich zum Vorjahr weniger Menschen nach Deutschland.
Insgesamt wurden für 2018 rund 1,6 Millionen Zuzüge und 1,2 Millionen Fortzüge erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zuwanderung nach Deutschland um 2,2 Prozent erhöht. Allerdings nahm auch Abwanderung gegenüber 2017 zu, und zwar um 4,5 Prozent.
Aus Rumänien kamen, wie bereits im Vorjahr, die meisten Zuwanderer, gefolgt von Polen und Bulgarien. Andere große Herkunftsländer waren Italien, Kroatien, die Türkei, Ungarn und die Vereinigten Staaten.
Bei den Fortzügen waren 2018 ebenfalls Rumänien, Polen und Bulgarien die wichtigsten Ziele. In diesen Ländern herrscht also ein reges Kommen und Gehen nach und von Deutschland.
Zuwanderung hauptsächlich aus anderen europäischen Ländern
Die Migration in Deutschland wird seit Jahren vor allem durch die Zuwanderung aus beziehungsweise Abwanderung in andere europäische Staaten dominiert. So kamen 2018 fast 70 Prozent aller zugewanderten Personen aus einem anderen europäischen Land, davon 53 Prozent aus EU-Staaten. 13,8 Prozent der Zuwanderer zogen aus einem asiatischen Staat zu. Nur 4,2 Prozent kam aus afrikanischen Ländern nach Deutschland, 5,3 Prozent aus Amerika, Australien und Ozeanien.
Die Migration aus humanitären Gründen hat sich nach Angaben des Innenministeriums verringert. Während 2017 knapp 200 000 Asylerstanträge entgegengenommen wurden, ging die Zahl 2018 um 18,3 Prozent auf 161 931 zurück. Im abgelaufenen Jahr ist sie laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiter auf 142 509 gefallen.
109 995 ausländische Studierende haben ein Studium an einer deutschen Hochschule begonnen, ein Plus von 4,8 Prozent. 60 857 im Jahr 2018 eingereiste Personen erhielten einen Aufenthaltstitel für eine Erwerbstätigkeit. Die Erwerbsmigration lag damit auf dem Niveau von 2017.
„Deutschland bleibt Einwanderungsland, doch die Zahlen des Migrationsberichts offenbaren, dass die Migrationspolitik der Bundesregierung auf dem Irrweg ist“, sagte Filiz Polat, Sprecherin für Migrationspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. Natürlich sei es ein gutes Zeichen, wenn immer mehr Menschen zum Studieren nach Deutschland kämen und damit ein reger Austausch zwischen Wissenschaftlern weltweit gefördert werde.
Um Deutschland als internationalen Wissenschaftsstandort zu stärken und Fachkräfte an Deutschland zu binden, brauche es jedoch deutlich mehr Anstrengungen.
Weit unter zehn Prozent der Studenten erhielten nach Abschluss ihres Studiums eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitssuche. „Attraktive Studienbedingungen allein ändern nichts daran, dass viele nach dem Studium nicht bleiben wollen oder können“, sagte Polat. Die Bundesregierung müsse endlich das Potenzial dieser wichtigen Einwanderungsgruppe durch erleichterte Aufenthaltsbedingungen anerkennen.
Osteuropäer verharren im Niedriglohnsektor
Auch die Zahlen zu den innereuropäischen Einwanderungsbewegungen seien getrübt, sagte Polat. Die Regierung verschweige und ignoriere die miserable Situation vieler Osteuropäer, die im Niedriglohnsektor verharrten oder in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen in der Schlachtindustrie und bei den Paketdiensten beschäftigt seien. „Das ist absolut inakzeptabel und muss endlich zur Chefsache erklärt werden.“
Von den 81,6 Millionen Einwohnern Deutschlands haben 13,5 Millionen eigene Migrationserfahrungen, schreibt das Innenministerium. 2018 lebten etwa zwei Drittel von ihnen seit mindestens zehn Jahren in Deutschland, knapp 50 Prozent seit mindestens 20 Jahren und 13,7 Prozent seit 40 Jahren und länger.