Möglicher Libyen-Einsatz der Türkei: Erdogan hat Großmachtfantasien, die in allen Orten scheitern
Ankara (Rnd) - Mit dem möglichen Militäreinsatz in Libyen will der türkische Staatschef Recep TayyipErdogan die Rolle seines Landes als Führungsmacht im Nahen Osten, Nordafrika und östlichen Mittelmeer festigen. Erdogans Postulat lautet: Die Türkei muss in allen Weltgegenden Flagge zeigen, die einst zum osmanischen Reich gehörten. Mit seinen Großmachtfantasien will Erdogan nicht zuletzt die Bevölkerung über die schwierige Wirtschaftslage und die wachsenden Demokratie-Defizite hinwegtrösten.
Aber die Völker im Nahen Osten und Mittelasien, auf dem Balkan und in Nordafrika haben die Osmanenherrschaft keineswegs als so glanzvoll in Erinnerung, wie Erdogan sie den Türken ausmalt. Mit seiner Unterstützung für radikal-islamische Regime wie die Muslimbrüder in Ägypten und jetzt die Regierung in Tripolis macht sich Erdogan in der arabischen Welt Feinde. Und nicht nur dort.
Die Beziehungen der Türkei zur EU, zur Nato und zu dem USA sind zerrüttet. Im Nahen Osten ist das wegen Terrorvorwürfen selbst isolierte Emirat Katar Erdogans einziger Verbündeter, in der EU hat er nur den Rechtspopulisten Viktor Orban als Freund. Washington droht der Türkei mit Strafen wegen ihrer Waffengeschäfte mit Russland, die EU prüft Sanktionen, weil die Türkei den Mitgliedsstaaten Griechenland und Zypern ihre Bodenschätze streitig macht.
Erdogan wirft sich derweil Kremlchef Wladimir Putin in die Arme. Aber für Russland ist die Türkei nur nützlich, um Zwietracht in der Nato zu säen. In Syrien und Libyen haben Ankara und Moskau gegensätzliche Interessen, im östlichen Mittelmeer und Mittelasien sind beide Länder keine Verbündeten, sondern Rivalen.
In Syrien scheiterte Erdogan mit dem Versuch, den Machthaber Assad zu stürzen und in Damaskus ein sunnitisch-islamistisches Regime zu etablieren. Gut möglich, dass er auch in Libyen mit Sarradsch aufs falsche Pferd setzt. Das wäre ein weiterer außenpolitischer Rückschlag. International ist die Türkei unter Erdogan schon jetzt so isoliert wie noch nie zuvor seit der Gründung der Republik vor fast 100 Jahren.