Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Ein schwieriges Jahr wartet auf der Großkoalition

Mittwoch 01.Januar.2020 - 03:50
Die Referenz
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Berlin (Mopo) - Noch vor ein paar Wochen schien es, als wären die Tage der GroKo endgültig gezählt – knapp zwei Jahre vor ihrem offiziellen Ablaufdatum. Spätestens, seit die SPD Saskia Esken (58) und Norbert Walter-Borjans (67) auf die Chefposten gehievt hat, hörten viele schon das Totenglöckleinschlagen.

Hatten die beiden doch lange vehement gegen die Große Koalition gestänkert und mit einer kräftigen Prise aus der Karl-Marx-Pfeffermühle Forderungen gestellt, die weit über das hinaus gehen, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

GroKo: Schnell die Reißleine ziehen

Doch kaum im Amt, war plötzlich keine Rede mehr davon, schnell die rote Reißleine zu ziehen. Viel Lärm um nichts?

Nach einem Koalitionstreffen kurz vor Weihnachten mit Esken und Walter-Borjans hieß es nur: Man werde die strittigen Fragen im neuen Jahr klären. Das nächste Treffen sei für Ende Januar geplant. So bleibt vieles vorerst offen – auch die Zukunft der Regierung.

GroKo: Was sagt das neue Führungsduo?

„Wir haben ja mit einiger Absicht nicht vor, einen Showdown über diese Große Koalition zu veranstalten. Wir befinden uns nicht im Krisenmodus“, versichert Saskia Esken. Will sie aber mit Walter-Borjans das durchsetzen, was beide ihrem Anhang versprochen haben, wäre die Krise mit einem Schlag wieder da.

Das, was auf dem Tisch liegt, reicht von einem milliardenschweren Investitionsprogramm und einem höheren Mindestlohn über einen verschärften Klimaschutz bis hin zur Reichensteuer und – wie von Esken forciert –ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen.

GroKo: Die Lage der SPD

Dass Esken und Walter-Borjans beim schnellen Abschied aus der GroKo plötzlich auf die Bremse treten, könnte zwei Gründe haben. Einmal wäre es mit der auf dem SPD-Parteitag viel beschworenen neuen Harmonie ruckzuck wieder vorbei.

Denn beiden dürfte klar sein, dass ein großer Teil ihrer Genossen in Regierung und Fraktion nicht will, dass die Koalition platzt. Für diesen Kurs steht vor allem Finanzminister Olaf Scholz (61), der mit seiner Team-Partnerin Klara Geywitz (43) beim Mitgliederentscheid der SPD nur knapp unterlegen war.

Und anders als bei der Wahl des später krachend gescheiterten Martin Schulz (64) zum Parteichef sind seit der Wahl des neuen Führungsduos die Umfragewerte bescheiden geblieben.

GroKo: Die Lage der Union

Sie pocht auf die GroKo-Verträge, zeigt sich aber gesprächsbereit. Doch manche Forderungen aus der SPD dürfte die CDU nicht einfach durchwinken, nur um an der Macht zu bleiben.

Dann würde sie ihr Gesicht verlieren. Die CDU werde ganz sicher nicht jedes Zugeständnis an die SPD machen, bloß um weiter regieren zu können, unterstrich jüngst auch CDU-Vize Thomas Strobl (59). „Da gibt es eine klare rote Linie.“

GroKo: Angela Merkels Rolle

Wie sich Angela Merkel (65) angesichts der frischen linken Brise aus der SPD verhalten wird, ist wie immer bei dieser rätselhaften Kanzlerinnen-Sphinx schwer prognostizierbar.

Klar aber dürfte sein, dass sie bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 gerne im Kanzleramt bleiben möchte, um sich dann – wie von ihr angekündigt – in den Ruhestand zu verabschieden.

GroKo: Angela Merkels Erben

Viel wird davon abhängen, wie sich Merkels persönliche Kronprinzessin, CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (57), in absehbarer Zeit schlagen wird – auch mit Blick auf ihr Standing in CDU und GroKo.

Mit der Klärung der Machtfrage in shakespearscher„Sein oder Nichtsein“-Dramaturgie auf dem CDU-Parteitag Ende November hat sich nach einem Jahr voller Pannen und allerlei Fettnäpfchen erst mal Luft verschafft. Mehr aber nicht.

GroKo: Der Hoffnungsträger der Konservativen

Denn sie bleibt angeschlagen, ihre Popularitätswerte im Land sind bescheiden. Und Friedrich Merz (64), der Hoffnungsträger der Konservativen? Er dürfte weiter nach Lenins Motto „Ein „Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ auf seine Chance lauern. 

Und da wäre ja auch noch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (52), der sich vom erzkonservativen Saulus über Nacht zum grün-angehauchten Paulus gewandelt hat. Er winkt zwar ab, wenn man ihn nach seinen Ambitionen als Kanzlerkandidat der Union fragt. Doch das heißt in der Politik ja nichts.

GroKo: Szenarien fürs neue Jahr

Es geht weiter wie bisher – wenn auch etwas mühsamer. Oder die SPD steigt doch noch aus. Dann müsste Merkel mit einer Minderheitsregierung bis zur vorgezogenen Neuwahl weitermachen.

Die dritte Möglichkeit: Eine Jamaika-Regierung aus Union, Grünen und FDP, bei der sich AKK ohne Neuwahl zur Kanzlerin wählen lassen könnte. Stand jetzt: Unwahrscheinlich, dass Grüne und Liberale da mitmachen.

GroKo: Das Risiko Neuwahlen

Neuwahlen wären ohnehin ein Vabanquespiel, das die geschrumpfte SPD noch tiefer runterziehen könnte. Ein Problem, das die CDU übrigens auch hat. Große Volksparteien – das war einmal. Grüne und AfD sorgen dafür, dass die Großen von einst Federn lassen. Sie müssen aufpassen, dass sie nicht eines schönen Tages als Polit-Zwerge aufwachen.

Mit Polit-Folklore und dem Beschwören einer ruhmreichen Vergangenheit auf Parteitagen jedenfalls lässt sich heute kein Blumenpott mehr gewinnen. Es sind schön inszenierte Bilderwelten, die mit der Realität nicht viel gemein haben.

GroKo: Was das Land braucht

Die klassischen Wählermilieus, auf die Jahrzehnte Verlass war, gibt es nicht mehr. Was das Land braucht, ist eine politische Führung, die zu ihrer Verantwortung für das Land steht und sich an Verträge hält – und keine Selbstfindungsgruppen.

Alle Regierungsparteien müssten „auf Augenhöhe mit der Realität sein“, befand Markus Söder. Schaunmer mal...

 

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