Neujahresansprache von Merkel: „Veränderungen zum Guten sind möglich „
Berlin (Zeit) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bürger zu Mut, Zuversicht und neuem Denken aufgerufen. „Die Zwanzigerjahre können gute Jahre werden“, sagt die CDU-Politikerin in ihrer Neujahresansprache, die das Bundeskanzleramt vorab veröffentlicht hat. Veränderungen zum Guten seien möglich, wenn sich alle offen und entschlossen auf Neues einließen. Dafür müsse Deutschland seine Stärken nutzen und auf das Verbindende setzen. „Überraschen wir uns einmal mehr damit, was wir können“, fordert Merkel. Als große Herausforderungen im neuen Jahrzehnt nannte die Bundeskanzlerin neben dem Klimawandel die Digitalisierung des Arbeitslebens.
Merkel ruft dazu auf, den Klimawandel aufzuhalten. „Die Erwärmung unserer Erde ist real. Sie ist bedrohlich. Sie und die aus der Erderwärmung erwachsenden Krisen sind von Menschen verursacht. Also müssen wir auch alles Menschenmögliche unternehmen, um diese Menschheitsherausforderung zu bewältigen“, sagt die Bundeskanzlerin. Noch sei dies möglich.
Sie selbst werde mit ihren 65 Jahren nicht mehr alle Folgen des Klimawandels erleben, die sich bei einem Nichthandeln der Politik einstellen würden. Doch sie werde all ihre Kraft dafür einsetzen, dass Deutschland seinen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leiste. „Es sind ja unsere Kinder und Enkel, die mit den Folgen dessen leben müssen, was wir heute tun oder unterlassen“, fuhr die Bundeskanzlerin fort. Diese Überzeugung zu handeln trage auch das kürzlich von Bund und Ländern beschlossene Klimaschutzprogramm. Vertreterinnen und Vertreter von Umweltverbänden und Wissenschaft und der Kirchen hatten das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung wiederholt als unzureichend kritisiert.
Erfindergeist und Hartnäckigkeit
Der digitale Fortschritt werde auch in den Zwanzigerjahren für Veränderungen im Leben aller Menschen in allen Bereichen sorgen. Insbesondere für die Arbeitswelt seien damit neue Herausforderungen verbunden, die neue Antworten benötigten. Merkel sagt, die Menschen sollten auch in Zukunft einen guten und sicheren Arbeitsplatz und im Alter eine verlässliche Rente haben: „Dazu brauchen wir mehr denn je den Mut zu neuem Denken, die Kraft, bekannte Wege zu verlassen, die Bereitschaft, Neues zu wagen, und die Entschlossenheit, schneller zu handeln, in der Überzeugung, dass Ungewohntes gelingen kann – und gelingen muss, wenn es der Generation der heute jungen Menschen und ihren Nachkommen noch möglich sein soll, auf dieser Erde gut leben zu können.“
Dabei könnten die Menschen in Deutschland auf den Eigenschaften und Fähigkeiten aufbauen, die sie schon immer stark gemacht hätten: Erfindergeist, Fleiß und Hartnäckigkeit sowie das Handwerk, Ingenieurswesen und die Fachkräfte. Ebenso hebt die Bundeskanzlerin die Bedeutung staatlicher und ehrenamtlicher Strukturen, die Art des Zusammenlebens in Familie und Vereinen und die Wertschätzung für diejenigen, die zum Beispiel in der Pflege für und mit anderen Menschen arbeiten, für die Zukunft hervor.
Mit Blick auf die politisch motivierten Gewalttaten im vergangenen Jahr, wie den Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke, dankt die Kanzlerin denjenigen, die in Deutschland politische Verantwortung übernehmen, insbesondere Kommunalpolitikerinnen und -politikern. „Sie – wie alle Menschen in unserem Land – vor Hass, Anfeindungen und Gewalt, vor Rassismus und Antisemitismus zu schützen, ist Aufgabe des Staates, eine Aufgabe, der sich die Bundesregierung besonders verpflichtet fühlt“, sagt Merkel in ihrer Ansprache. Die Werte des Grundgesetzes von Freiheit, Solidarität und der Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen sowie die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft „bleiben unser Kompass auch im nächsten Jahrzehnt“.
Auf internationaler Ebene fordert die Kanzlerin die Europäische Union auf, ihre Rolle in der Weltpolitik stärker wahrzunehmen. Deutschland werde sich dafür im kommenden Jahr in seiner EU-Ratspräsidentschaft einsetzen, etwa durch einen Gipfel aller Mitgliedsstaaten mit China und ein Treffen mit den Staaten Afrikas. Merkel verweist darauf, dass die Zusammenarbeit mit Afrika dem eigenen Interesse diene: „Denn nur, wenn Menschen die Chance auf ein friedliches und sicheres Leben haben, werden Flucht und Migration abnehmen.“