Die deutschen setzen auch im nächsten Jahr auf Merkel
Berlin (Main) - Ihre Gegner haben sie bereits abgeschrieben, die eigene Partei ringt um die Nachfolge – doch bei den Wählern genießt Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter großes Vertrauen und große Beliebtheit. In einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ zur Frage, von welchem Politiker sie sich im neuen Jahr „eine möglichst große Wirkung in der deutschen Politik“ wünschen, nannten die meisten Bürger Angela Merkel. Sie führt mit 40 Prozent – der gleiche Wert wie vor einem Jahr – die Beliebtheitsskala der Spitzenpolitiker an. Annegret Kramp-Karrenbauer rutschte dagegen auf Platz sieben ab (29 Prozent). Vor einem Jahr führte sie die Politiker-Rangliste noch mit 45 Prozent an.
Die unbeliebte GroKo
Paradox: Obwohl die Kanzlerin und CDU-Chefin gut bei den Wählern ankommt, hadern diese mit der Großen Koalition. Jeder Dritte wünscht sich ein baldiges Ende des schwarz-roten Bündnisses, das Merkel als Regierungschefin anführt.
„Typischerweise genießen immer Bundespräsidenten eine sehr, sehr hohe Beliebtheit in der Bevölkerung, weil sie über den tagespolitischen Streitigkeiten stehen“, erklärt der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas (FU Berlin). „Ähnlich agiert die Kanzlerin dieser Tage: Auch sie hält sich von solchen Streitigkeiten so weit wie möglich entfernt, regiert eher präsidial.“ Und so komme es zu der – eigentlich widersprüchlichen – Situation, dass die GroKo extrem unbeliebt ist, die Frau an ihrer Spitze aber sehr beliebt. „Die beiden Dinge sind offenkundig in den Köpfen vieler Menschen nicht direkt verknüpft“, sagt Faas.
Direkt hinter Merkel in der Liste der beliebtesten Politiker landen Friedrich Merz (CDU) mit 36 Prozent (+3) vor Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU, 35 Prozent), der sogar zehn Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr zulegen konnte. Fast ganz hinten landen die neuen SPD-Chefs, Norbert Walter-Borjans (16) und Saskia Esken (15) – vor dem Letztplatzierten, AfD-Chef Jörg Meuthen (Platz zehn).
Seit die neuen SPD-Chefs Anfang Dezember auf einem Parteitag gewählt wurden, wird verstärkt über ein vorzeitiges Ende der Großen Koalition spekuliert. Esken und Walter-Borjans wollen ihre Partei wieder stärker nach links und damit eher auf Gegenkurs zum Regierungspartner Union rücken. Dazu gehört etwa das Sozialstaatskonzept mit der Abkehr von Hartz IV.
„Die SPD wird wieder stark, wenn erkennbar wird, dass diese Partei einen Anspruch an sich und für die Bürger hat, den sie nach Kräften in einer Koalition umsetzt, der aber darüber hinausgeht“, sagte Norbert Walter-Borjans am Wochenende. Saskia Esken betonte, die SPD müsse zeigen, dass sie mehr sei als nur Teil einer Koalition. Umfragen geben ihr nur zum Teil Recht: 34 Prozent wünschen sich laut Meinungsforschungsinstitut YouGov ein Ende der GroKo vor dem regulären Wahltermin im Herbst 2021. 39 Prozent sind allerdings für einen Fortbestand des Bündnisses.
„Wir machen jetzt weiter“
Politiker von SPD und Union zeigten sich dennoch zuversichtlich, dass das Bündnis hält. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der „Böhme-Zeitung“: „Wir machen jetzt weiter.“ Allerdings müsse sich der Stil in der Koalition ändern. „Wir dürfen nicht wie in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Deadlines setzen oder einen Showdown inszenieren.“
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte, wenn die Sozialdemokraten weiter mit ihrer eigenen Vergangenheit haderten und versuchen sollten, eine völlig andere Partei zu werden, dann werde es schwer. „Wenn wir aber mit der SPD, mit der wir den Koalitionsvertrag geschlossen haben, weiterhin gut zusammenarbeiten, dann bin ich zuversichtlich, dass es gelingen wird.“