Innenminister wollen Straftäter nach Syrien zurückschicken können
Der Abschiebestopp für Syrer, die schwere Straftaten begehen, soll gelockert werden. Das Auswärtige Amt jedoch warnt: Die Sicherheitslage in Syrien ist weiter prekär.
Die Länderinnenminister von Union und SPD sind sich einig: Abschiebungen schwerer Straftäter nach Syrien sollen erlaubt werden. Das sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Hans-Joachim Grote, in Lübeck. Er verwies allerdings auf praktische Probleme. "Es gibt momentan in Syrien für uns keine Ansprechpartner, das ist die Schwierigkeit. Aber der Wille, da auch Straftäter nach Syrien wie nach Afghanistan abzuschieben, ist da."
Nach Angaben von Grote haben sich die Minister von Union und SPD bereits darauf verständigt. "Wir wollen das morgen abschließend beschließen." Auf Nachfrage erläuterte er: "Es bleibt dabei: Es gibt einen Abschiebestopp nach Syrien, mit Ausnahme von schweren Straftaten. Ich glaube, anders wäre es auch den Menschen hier nicht zu vermitteln, dass jemand, der schwere Straftaten begeht, dennoch den Schutzstatus des Flüchtlings hat. Irgendwann werden auch diese Rechte, die wir gewähren, verwirkt."
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes jedoch gibt es in Syrien aktuell keine Region, in die Flüchtlinge ohne Risiko zurückkehren können. "Immer wieder sind Rückkehrer, insbesondere – aber nicht nur – solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen beziehungsweise Repressionen, bis hin zu unmittelbarer Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt", heißt es in einem internen Bericht des Auswärtigen Amtes, dessen Inhalt Anfang Dezember öffentlich wurde und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
In Idlib herrscht Krieg
Auch Menschenrechtsorganisationen lehnen Abschiebungen nach Syrien ab. "Angesichts der desaströsen menschenrechtlichen und militärischen Lage in Syrien ist eine Verlängerung des Abschiebungsstopps unerlässlich", erklärte Pro Asyl. Die halbjährliche Überprüfung der Regelung sei angesichts der "fragilen Situation" im Land unpassend und erwecke den falschen Eindruck, dass Abschiebungen unmittelbar bevorstehen würden.
Zwar ist die Lage in Syrien seit zwei Jahren deutlich ruhiger als zuvor, doch kann die Situation in den meisten Landesteilen längst nicht als sicher gelten. In der letzten Rebellenbastion Idlib im Nordwesten gab es wieder heftige Gefechte, bei denen binnen Tagen hundert Kämpfer beider Seiten getötet wurden. Zudem kamen 19 Zivilisten bei Luftangriffen der Regierungstruppen auf einen Markt und andere Orte ums Leben.
Machthaber Baschar al-Assad ist entschlossen, Idlib wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Mehr als drei Millionen Menschen leben dort, rund die Hälfte davon Vertriebene aus anderen Landesteilen. Die Region wird großteils von der Dschihadistenallianz Hajat Tahrir al-Scham und anderen Islamistengruppen beherrscht. Offiziell gilt seit August eine Waffenruhe, doch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die Gewalt wieder eskaliert.
In den Kurdengebieten im Nordosten gab es im Oktober ebenfalls heftige Kämpfe, als die türkische Armee eine neue Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) startete. Zwar vereinbarte die Türkei mit Russland eine Waffenruhe und den Abzug der YPG aus dem Grenzgebiet, doch gibt es weiter Unruhen. Zudem kommt es in der türkisch kontrollierten Zone immer wieder zu Autobombenanschlägen.
Aber selbst in den Gebieten der Regierung gibt es Anschläge, Morde und Entführungen. Offiziell kontrolliert Assad heute mehr als die Hälfte des Landes, einschließlich der großen Städte. Doch in früheren Oppositionsbastionen wie Daraa haben de facto weiter ehemalige Rebellenmilizen das Sagen. Auch sonst bleibt die Sicherheitslage prekär – ganz zu schweigen von der desaströsen Menschenrechts- und Versorgungslage unter Assad.
Im Osten droht zudem eine Rückkehr der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat". Die sunnitische Extremistengruppe verlor zwar im März ihre letzte Bastion, doch verüben Schläferzellen weiter regelmäßig Anschläge.