Mutmaßlicher Auftragsmord in Berlin: Stellt Merkel am Montag Putin zur Rede?
In Berlin wird ein Georgier ermordet, mutmaßlich von
einem Auftragskiller. Wer dahinter steckt, ist unklar. Aber der Fall löst
eine diplomatische Krise zwischen Deutschland und Russland aus - und bietet
Gesprächsstoff für das Treffen zwischen Merkel und Putin nächste Woche.
Der mutmaßliche
Auftragsmord in Berlin an einem
Mann aus Georgien wird zur großen Belastung für das deutsch-russische
Verhältnis kurz vor einem geplanten Zusammentreffen von Kanzlerin Angela Merkel
und Russlands Präsident Wladimir Putin. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster
sagte der "Bild"-Zeitung: "Wenn die Ermittlungen ergeben, dass
Russland diesen Mord verantwortet, befinden wir uns in einer neuen Lage. Das
wäre ein Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges." Für diesen Fall
forderte er Konsequenzen: "Dann müssen die Spionageabwehr und die Auslandsaufklärung
gegen Russland deutlich ausgeweitet werden."
Dies bedeute
den Einsatz von mehr Technik und Personal, "aber auch alle Befugnisse
offensiv anzuwenden".
Am 23.
August war ein 40 Jahre alter Georgier in einem kleinen Park in Berlin-Moabit
von hinten erschossen worden. Sein Mörder hatte sich ihm am helllichten Tag auf
einem Fahrrad genähert
und auf Rücken und Kopf gezielt. Der mutmaßliche Täter, ein 49 Jahre alter Mann
mit russischem Pass, wurde kurz nach der Tat gefasst. Seit seiner Festnahme schweigt
er.
Angela Merkel und Wladimir Putin im Juni
beim G20-Gipfel in Osaka. Bei ihrem kommenden Treffen am Montag beim
Ukraine-Gipfel dürfte die aktuelle diplomatische Krise ein wichtiges Thema
sein.
Bundesanwaltschaft ermittelt nach
dem mutmaßlichen Auftragsmord
Der
mutmaßliche Auftragsmord löste eine diplomatische Krise zwischen Deutschland
und Russland aus.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt und spricht von einer staatsschutzspezifischen
Tat von besonderer Bedeutung. Die Ermittler verfolgen den Anfangsverdacht, dass
staatliche Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien
dahinterstecken. Die Bundesregierung reagierte prompt und wies zwei russische
Diplomaten aus. Merkel kritisierte Russland deutlich wegen fehlender
Unterstützung bei der Aufklärung des Mordes. Ob und in welcher Form und Schärfe
sie das Thema am Montag mit Putin besprechen wird, ist nicht bekannt.
Russland
kündigte an, ebenfalls Schritte einzuleiten. Welche dies sind, ließ
Außenminister Sergej Lawrow offen. "Wir sind besonnene Menschen und werden
erst einmal prüfen, was uns überhaupt zur Last gelegt wird", sagte der
Chefdiplomat nach Angaben der Agentur Interfax in Sotschi.
Der
FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff forderte die Bundesregierung auf,
für Klarheit zu sorgen. Die Regierung müsse "ihre Erkenntnisse, die zur
Ausweisung der Diplomaten geführt haben, jetzt ungeachtet russischer Kritik
umgehend offenlegen", sagte der Fraktionsvize den Zeitungen der Funke
Mediengruppe. Die mögliche Verstrickung Russlands verurteilte Lambsdorff
scharf. "Auftragsmorde des
russischen Staates in der Europäischen Union - ob in Großbritannien oder
Deutschland - sind ganz und gar inakzeptabel", sagte er in Anspielung auf
den Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelspion Sergej Skripal und seine
Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury, den beide überlebten.
Der
Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte der "Augsburger
Allgemeinen": "Russland hätte besser daran getan, mit den Strafverfolgungsbehörden
in dieser Frage zu kooperieren statt zu blockieren und zu dementieren."
Der
Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, mahnte in den
Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland Kooperation
an. "Deutschland und Russland sollten bei der Aufklärung des Verbrechens
jetzt im Übrigen zusammenwirken. Eine diplomatische Eskalation fürchte ich
nicht. Eine solche Eskalation wäre auch nicht schlau."
Kritik an
Ausweisung russischer Diplomaten
Der
Deutschland-Experte Wladislaw Below von der Russischen Akademie der
Wissenschaften nannte die Ausweisung von zwei russischen Diplomaten
"unbedacht und unnötig". "Es braucht diese diplomatische
Eskalation zu diesem Zeitpunkt nicht", sagte er der Nachrichtenagentur
DPA.
Auch der
AfD-Politiker Paul Hampel kritisierte die Ausweisung von zwei Mitarbeitern der
russischen Botschaft in Berlin. "Ich halte das nach dem jetzigen
Erkenntnisstand für überzogen", sagte der außenpolitische Sprecher der
AfD-Bundestagsfraktion der DPA. Deutschland habe zur Zeit aufgrund der
EU-Sanktionen "genügend Probleme mit Russland", sagte Hampel. Es wäre
daher aus seiner Sicht besser gewesen, der russischen Seite nach der
Veröffentlichung der Erkenntnisse des Generalbundesanwalts erst noch einmal
Gelegenheit zu geben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, "anstatt gleich
die beiden Diplomaten auszuweisen".