Deutschland holt erstmals IS-Anhängerin aus Syrien zurück
Frauen im Lager al-Hol. Eine Hessin und
ihre Kinder holt die Bundesregierung jetzt von dort nach Deutschland
Eine IS-Frau aus Hessen
will zurück nach Deutschland. Die Bundesregierung holt sie aus dem syrischen
Gefangenenlager Al-Hol.
An diesem Wochenende soll erstmals mit Unterstützung der
Bundesregierung eine Frau nach Deutschland zurückkehren, die ins
Herrschaftsgebiet der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgereist war. Die
Frau und ihre drei Kinder seien bereits in den Irak ausgereist, bestätigte das
Auswärtigen Amt in Berlin. Von dort sollen sie nach Deutschland ausgeflogen
werden. Zuvor hatten die „Bild“-Zeitung und der „Spiegel“ über den Fall
berichtet.
Nach Angaben des „Spiegel“ holte das Auswärtige Amt in
Zusammenarbeit mit einer US-Hilfsorganisation die Hessin Laura H. und ihre drei
Kinder aus dem Gefangenenlager Al-Hol in Nordsyrien. Demnach soll die
Rückführung nach Deutschland aus der nordirakischen Stadt Erbil „in den
nächsten Tagen“ erfolgen.
Der „Bild“-Zeitung zufolge wird zudem ein weiteres Kind
ausgeflogen, bei dem es sich um die Tochter des ersten Mannes von Laura H.,
einem US-Bürger, handeln soll.
Dem „Spiegel“ zufolge hatte sich Laura H. im März 2016
aus dem Raum Gießen mit zwei Kindern auf den Weg nach Syrien gemacht, wo sie
sich den IS-Extremisten anschloss. Demnach wird in Deutschland gegen die
30-Jährige schon länger wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer
Terrorgruppe sowie wegen Verletzung der Fürsorgepflicht für ihre Kinder
ermittelt.
Die Bundesregierung hatte mit Blick auf Frauen, die aus
Gefangenenlagern in Syrien zurückkehren wollen, zuletzt erklärt, sie werde sich
jeden Einzelfall anschauen. Im August waren drei Waisenkinder und ein schwer
erkranktes Kind aus IS-Familien via Irak nach Deutschland gebracht worden.
Gerichtsbeschluss verpflichtet Auswärtiges Amt in einem anderen Fall zur
Rückholung
Die Rückholaktion erfolgt rund zwei Wochen, nachdem das
Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in einem anderen Fall die
Rückführung einer IS-Anhängerin und ihrer drei Kinder aus dem Flüchtlingslager
Al-Hol nach Deutschland angeordnet hatte. Eine Beschwerde der Bundesregierung
gegen die einstweilige Anordnung aus früherer Instanz hatte das OVG
zurückgewiesen.
Das Auswärtige Amt hatte zuvor bereits die Rückholung der
zwei, sieben und acht Jahre alten Kinder der Frau in die Wege geleitet. Eine
Rückkehr der Mutter lehnte das Ministerium hingegen aus Sicherheitsgründen ab.
Dem widersprach das OVG: Die Rückholung der Kinder könne nur gemeinsam mit
ihrer Mutter erfolgen, da die Minderjährigen „zwingend auf den Schutz und die
Betreuung ihrer Mutter angewiesen“ seien, hieß es in dem unanfechtbaren
Gerichtsbeschluss.
Die Niederlande müssen IS-Frauen und Kinder unterdessen vorerst
nicht aus nordsyrischen Lagern nach Hause holen. Ein Berufungsgericht gab
am Freitag der niederländischen Regierung Recht und entschied gegen einen
Antrag der Betroffenen, wie die Nachrichtenagentur ANP berichtete. 23
niederländische Frauen mutmaßlicher IS-Terroristen und deren 56 Kinder wollten
mit der Klage gegen die Regierung ihre Rückholung erzwingen.
In der vergangenen Woche hatte ein Gericht in erster
Instanz entschieden, dass zumindest die Kinder heimgeholt werden müssten. Das
Berufungsgericht kippte nun diese Entscheidung. Der Fall sei eine politische
Angelegenheit und deshalb nicht Sache der Gerichte.
Flüchtlingslager Al-Hol ist völlig überfüllt
In der Türkei warten
aktuell noch zwei deutsche Frauen, die zuvor in Syrien gefangen waren, mit insgesamt
fünf Kindern auf ihre Abschiebung nach Deutschland. Eine von zwei mutmaßlichen
IS-Frauen, die vergangene Woche von der Türkei nach Deutschland abgeschoben
worden waren, wurde nach ihrer Ankunft wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen
Vereinigung Islamischer Staat und anderer Straftaten inhaftiert.
Das von der kurdischen YPG-Miliz betriebene
Flüchtlingslager Al-Hol in Nordsyrien ist völlig überfüllt, dort sind tausende
mutmaßliche IS-Anhänger inhaftiert, die Bedingungen gelten als katastrophal.
Bislang holte die Bundesregierung nur wenige Kinder von deutschen mutmaßlichen
IS-Anhängern aus Al-Hol.
Laut einer aktuellen Statistik der
Sicherheitsbehörden sitzen in Syrien derzeit noch etwa 80 deutsche
IS-Anhängerinnen und IS-Anhänger in Lagern oder Gefängnissen.