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Illegale Migration auf neuer Balkanroute nimmt wieder zu

Montag 11.November.2019 - 07:37
Die Referenz
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Berlin (Welt) - Die illegale Migration über die Türkei, Griechenland und den Balkan nimmt zu. Nach einer internen Einschätzung des Bundesinnenministeriums (BMI), die WELT AM SONNTAG vorliegt, bewegen sich alle „migrationsrelevanten Indikatoren“ wie illegale Grenzübertritte und Asylanträge „in allen Staaten der Balkanregion derzeit auf einem nochmals höheren Niveau als in den Vergleichszeiträumen 2017 und 2018“.

Aktuell halten sich demnach geschätzt 12.000 Migranten in der Balkanregion auf, alleine rund 7000 in Bosnien und Herzegowina. Wegen der „Verschlechterung der Wetterlage in den kommenden Monaten“ sei mit „einer Verschärfung der Unterbringungssituation und Flüchtlingslage in Bosnien und Herzegowina zu rechnen“. Seit Jahresbeginn wurden schon mehr als 25.000 Migranten in dem kleinen Staat festgestellt. 18.000 davon sind in andere europäische Staaten weiterzogen.

Die Bundespolizei teilte WELT AM SONNTAG mit, dass die Migranten „nunmehr ein weit verzweigtes Netz von Routen durch die Staaten der Balkanregion nutzen, um nach Mittel- und Westeuropa zu gelangen. Ein zentraler Knotenpunkt ist dabei der Una Sana Kanton in Bosnien und Herzegowina.“

Über die sogenannte Wespentaille Kroatiens erfolge die illegale Migration hauptsächlich in Richtung Italien und von dort aus in die weiteren Zielländer wie Deutschland. Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, sagte WELT AM SONNTAG: „Seit Kohl und Mitterrand sind Geschäftsgrundlagen für den Wegfall von Binnengrenzkontrollen sichere Außengrenzen. Von sicheren Außengrenzen kann heute keine Rede sein.“

Folgt man der Einschätzung des Innenministeriums hängt „das Ausmaß der illegalen Migration auf der sogenannten Balkanroute wesentlich vom Ankunftsgeschehen in Griechenland ab“. Deswegen „sehen wir die gegenwärtige Entwicklung in Griechenland und in der Türkei mit großer Sorge“.

Laut einem internen Bericht der EU-Kommission, der WELT AM SONNTAG ebenfalls vorliegt, „steigen die Ankünfte in Griechenland weiter an“. Mit 57.182 Migranten seien bisher im laufenden Jahr 37 Prozent mehr als im Vorjahr auf dem Land- und Seeweg eingereist. 28.952 seien in diesem Jahr von den Inseln auf das Festland gebracht worden, dennoch befänden sich mit 35.630 aktuell mehr Migranten in den Lagern auf den Inseln als zu jedem anderen Zeitpunkt seit der EU-Türkei-Erklärung vom Frühjahr 2016.

Im ersten Absatz des sogenannten EU-Türkei-Deals heißt es: „Alle seit 20. März einreisenden irregulären Migranten, die aus der Türkei auf die griechischen Inseln überfahren, werden in die Türkei zurückgebracht.“ Laut dem Papier der EU-Kommission wurden in all den Jahren aber erst 1944 zurückgebracht. Im laufenden Jahr sei die „Abschiebungsrate so gering wie nie zuvor“, nur 138 waren es bislang.

Wie WELT AM SONNTAG aus Kreisen des Innenministeriums erfuhr, ist kürzlich eine Delegation von Fachleuten des Hauses und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach Sarajevo gereist, um „verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung für Bosnien-Herzegowina“ zu erörtern. Unter anderem bekräftigten die Abschiebungsexperten des BMI dort, die „Rückkehrmaßnahmen aus den Westbalkanstaaten in die Herkunftsländer zu unterstützen“.

Demnach waren „Vertreter aus dem Leitungsbereich“ des BMI auch „zuletzt unter anderem in Bihac sowie in Kroatien“. Der Präsident der Bundespolizei sprach am vergangenen Mittwoch außerdem mit „Vertretern der Grenzpolizeien der Balkanländer“ über „notwendige Handlungsbedarfe und mögliche Unterstützungsbedarfe“.

In der Union wünschen sich manche ein noch stärkeres Engagement der Deutschen. Der CDU-Innenpolitiker Marian Wendt sagte WELT AM SONNTAG, der Druck auf der Balkanroute habe sich durch die illegalen Wanderungsbewegungen über die Türkei nach Griechenland wieder massiv erhöht. Darauf habe das Innenministerium bisher noch nicht angemessen reagiert.

Wendt mahnte: „Wenn wir kein zweites Budapest erleben wollen, müssen wir jetzt Bosnien und Herzegowina unterstützen, die Migranten in ihrem Land zu versorgen, damit sie nicht wieder in großen Gruppen nach Norden wandern. Die Regierung sollte das THW und die Bundespolizei entsenden, um die Lage vor Ort zu stabilisieren.“
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