Maas und AKK spalten die deutsche Außenpolitik
Dienstag 29.Oktober.2019 - 12:34
Berlin (Sz) - Was die deutsche Außenpolitik in dieser Woche zuwege gebracht hat, war am zuverlässigsten abzulesen am Gesichtsausdruck des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu während der Pressekonferenz mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Als es um den Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ging, im Nordosten Syriens eine UN-Schutzzone einzurichten, regte sich dort Heiterkeit. Die deutsche Seite müsse sich wohl erst einmal sortieren, amüsierte sich Çavuşoğlu. Aber so sei das nun mal in einer Demokratie und in einer Koalitionsregierung. Da gebe es unterschiedliche Meinungen.
Kramp-Karrenbauer und Maas haben die deutsche Außenpolitik gemeinschaftlich zum Gespött gemacht. Die Verteidigungsministerin und CDU-Chefin, indem sie planlos vorgeprescht ist mit einer Initiative, die in der Bundesregierung nicht abgestimmt war und für die sie nicht einmal verlässliche Unterstützung in der eigenen Partei erhält. Der Außenminister, indem er in Ankara eine einfache außenpolitische Grundregel verletzt hat - jene, innenpolitischen Streit zuhause zu lassen.
Beiden dürfte klar sein, was sie getan haben. Kramp-Karrenbauer ist noch nicht lange Verteidigungsministerin, aber sie wusste natürlich, dass sie mit ihrem Schutzzonen-Vorstoß ihre Ressortkompetenzen überschreitet. Außenpolitische Initiativen sind, wie der Name schon sagt, Sache des Außenministers. Maas ist allerdings auch lange genug Außenminister, um zu wissen, dass er seinen Ärger über das Vorpreschen der Verteidigungsministerin hätte in Berlin lassen müssen. Indem er die Initiative der Verteidigungsministerin auf Nachfrage öffentlich als irrelevant und als Zeitverschwendung abgetan hat, hat er seine eigene Position nicht gestärkt, die der deutschen Außenpolitik aber geschwächt. Das ist umso erstaunlicher, als es normalerweise zu den leichtesten Übungen des SPD-Politikers gehört, sein Temperament zu zügeln.
Der weltöffentlich zelebrierte Streit über die Schutzzone sagt also zunächst einmal etwas aus über die Zustände in der Koalition. Unter normalen Umständen wäre Kramp-Karrenbauer vermutlich nicht so weit gegangen, ihren saarländischen Landsmann Maas zu brüskieren. Unter normalen Umständen hätte sie den Versuch unternommen, zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel und dann Maas ins Boot zu holen. Unter normalen Umständen hätte es in der Bundesregierung vielleicht sogar konstruktive Überlegungen für eine echte diplomatische Initiative gegeben. Daraus hätte sich womöglich auch ein bisschen Hoffnung für die bedrängten Kurden ergeben.
Offenkundig ging es der CDU-Chefin aber nicht um den Abwehrkampf der Kurden, sondern um den eigenen - im Ringen um die Kanzlerkandidatur. Unter normalen Umständen aber hätte Heiko Maas in Ankara eben auch keine Nerven gezeigt und sich aus der misslichen Lage mit Floskeln herausgewunden. So hat der Außenminister sich eine Blöße ausgerechnet dort gegeben, wo keine Schwäche verziehen wird - im Reich des Kraftmeiers Recep Tayyip Erdoğan, der Maas bekanntlich wegen des teilweisen deutschen Waffenembargos zuvor als "Dilettanten" verspottet hatte.
Am Ende mag sich das alles als Episode herausstellen. Was aber bleibt, ist das tiefere Problem der deutschen Außenpolitik. Denn in einem hat der türkische Außenminister recht: Die Initiative Kramp-Karrenbauers ist unrealistisch, weil sie viel zu spät kommt. Die Lücke, welche die USA nicht erst seit dem von Trump befohlenen Rückzug hinterlassen, wird längst von Russen, Türken und Iranern gefüllt. Zu keinem Zeitpunkt haben die Europäer eine wesentliche Rolle gespielt. Wer, wenn nicht das größte EU-Land, also Deutschland, sollte dafür einen gehörigen Teil der Verantwortung tragen? Das entschuldigt die Schutzzonen-Posse nicht. Es macht sie nur noch schlimmer.