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Merkel unterstützt Nordsyrien-Vorschlag von AKK: eine Schutzzone in Syrien sei einen Versuch wert

Mittwoch 23.Oktober.2019 - 08:05
Die Referenz
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Berlin (Zeit) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich hinter den Vorstoß ihrer Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) für einen internationalen Stabilisierungseinsatz in Nordsyrien gestellt. Der Gedanke, dort Schutzzonen einzurichten, sei "sehr vielversprechend, auch wenn noch viele Fragen offen sind", sagte Merkel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen in der Sitzung der Unionsfraktion. Zugleich betonte sie, Schutzzonen würden nur mit einem Mandat der Vereinten Nationen und in einem System kollektiver Sicherheit funktionieren.

Merkel kündigte an, sie werde bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premier Boris Johnson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan über den Vorschlag Kramp-Karrenbauers sprechen. Die "Idee ist es allemal wert, dass man versucht, sie umzusetzen", sagte sie den Teilnehmern zufolge. "Wir haben die Pflicht, Lösungen für die Krise zu suchen." Die Pläne sollten nun auch in der Koalition besprochen werden.

Das Thema von Schutzzonen für Syrien sei nicht neu, sagte Merkel nach diesen Angaben vor den Unionsabgeordneten. Man habe schon 2016 auf einem EU-Gipfel im Zusammenhang mit Aleppo darüber gesprochen. Die Idee sei aber bisher immer am Veto Russlands gescheitert.

Mutiger Schritt

Es müsse verhindert werden, dass die Türkei in Nordsyrien "ewig dort in besetztem Territorium bleibt", sagte Merkel demnach. Kramp-Karrenbauer will Verbündete für einen internationalen Stabilisierungseinsatz im umkämpften Nordsyrien gewinnen. Auch sie sprach sich für ein UN-Mandat aus, um eine Beteiligung der Bundeswehr zu ermöglichen. Viel Unterstützung erhielt sie dafür auch aus der Unionsfraktion. Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen habe von einem "Paradigmenwechsel der deutschen und der europäischen Außenpolitik" gesprochen, hieß es. "Wir handeln in unserem eigenen Interesse", wurde er zitiert. Wenn die EU sich nicht einig sei, müssten Deutschland, Frankreich und Großbritannien vorangehen. Der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grösse-Brömer sagte, es werde oft beklagt, dass Deutschland bei internationalen Krisen nur zuschaue – deshalb gehe Kramp-Karrenbauer mit ihrem Vorschlag einen mutigen Schritt, der in sich schlüssig sei. Unterstützung bekam sie auch von CSU-Innenminister Horst Seehofer.

Die SPD reagierte dagegen verärgert auf das Vorgehen von Kramp-Karrenbauer. "Von SMS-Diplomatie halte ich wenig. Daraus wird schnell eine SOS-Diplomatie", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag in Berlin. Kramp-Karrenbauer hatte ihn erst unmittelbar vor Verkündung ihres Vorschlags in einer kurzen SMS vorgewarnt, aber keine inhaltlichen Details genannt. Inhaltlich verzichtete der Außenminister jedoch auf eine klare Positionierung. "Es gibt auch, und das ist unbestreitbar, eine gewisse Irritation bei unseren Partnern", sagte er lediglich.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, die Bundeswehr reiße sich nicht um zusätzliche Aufgaben. "Schon jetzt sind 17.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in internationale Einsätze eingebunden, von Afghanistan bis zur Nato Response Force." Am Nachmittag trafen sich Merkel, Kramp-Karrenbauer und Maas sowie Finanzminister Olaf Scholz zu einem Gespräch. Die SPD wollte sich dazu aber nicht äußern.

Reines Ablenkungsmanöver

Bei der Opposition stieß der Vorstoß ebenfalls auf Kritik. Von einem "aberwitzigen Vorschlag" sprach Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht "Das ist das Letzte, was Syrien braucht", sagte sie. "Insoweit muss man wirklich hoffen, dass die SPD diese Geisterfahrt der Verteidigungsministerin ausbremst." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, er habe den Eindruck, das sei ein "reines Ablenkungsmanöver", weil die Bundesregierung sich nicht traue, "klare Worte" gegen den türkischen Präsidenten zu finden. "Wer noch nicht einmal wagt, diplomatische Mittel einzusetzen, der sollte von Bundeswehreinsätzen schweigen", sagte Hofreiter. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner kritisierte, offenbar sei der Vorstoß nicht einmal innerhalb der Bundesregierung vollständig abgestimmt gewesen. "Es entsteht der Eindruck, hier geht es um Profilierungsbemühungen einzelner Kabinettsmitglieder."

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich offen für ein Vierer-Treffen mit seinen europäischen Nato-Partnern. Der britische Premierminister Johnson habe ein Treffen mit ihm, Merkel und Macron vorgeschlagen, sagte Erdoğan in Ankara. Dies sei möglich, unter der Bedingung, dass es in der Türkei stattfinde. Der türkische Präsident besuchte am Dienstagmittag Russlands Staatschef Wladimir Putin in Sotschi am Schwarzen Meer, um über Nordsyrien zu sprechen.

Der Kreml kündigte an, Kramp-Karrenbauers Vorschlag einer humanitären Sicherheitszone zu prüfen. Eine Position dazu gebe es noch nicht, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.
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