UN-Studie: Afrikanische Migranten gehören oft zu den besser Gebildeten
Montag 21.Oktober.2019 - 07:23
Berlin (Welt) - Afrikanische Migranten in Europa sind einer neuen Studie zufolge in vielen Fällen besser gebildet als Altersgenossen in ihren Heimatländern. 58 Prozent von knapp 2000 Befragten hatten vor ihrer irregulären Einreise nach Europa vor allem über Libyen oder Marokko in ihrer Heimat entweder einen Job oder gingen noch zur Schule.
Im Durchschnitt seien sie mindestens drei Jahre länger ausgebildet worden als Gleichaltrige in der Heimat. Das geht aus einem neuen Bericht des UN-Entwicklungsprogrammes UNDP hervor, der am Montag in New York veröffentlicht wurde.
„Daraus lässt sich schließen, dass eine verstärkte Bildung den Horizont und die Ambitionen des Einzelnen erheblich erweitert hat“, heißt es im Bericht. Eine Mehrheit der Berufstätigen hätte in ihrem Herkunftsland „konkurrenzfähige“ Gehälter bekommen, dennoch hätten viele nicht das Gefühl gehabt, angemessen bezahlt zu werden.
Widerhall des Entwicklungsfortschritts in ganz Afrika
Der Bericht „Scaling Fences“ hebe hervor, „dass Migration ein Widerhall des Entwicklungsfortschritts in ganz Afrika ist, auch wenn der Fortschritt ungleichmäßig verteilt ist und nicht schnell genug voranschreitet, um die Erwartungen der Menschen zu erfüllen“, sagte UNDP-Chef Achim Steiner. Die Grenzen der Möglichkeiten und Chancen von Menschen ergäben sich als wichtige Gründe für die Migration.Für die Studie wurden Befragungen von 1970 Migranten aus 39 afrikanischen Ländern ausgewertet, die in 13 europäischen Staaten leben. 93 Prozent von ihnen gaben an, auf ihrer Reise mit Gefahren konfrontiert gewesen zu sein, alle von ihnen sagten, dass sie irregulär migriert sind. Trotzdem sagten nur zwei Prozent, dass sie die Reise nicht angetreten hätten, wenn sie gewusst hätten, was auf sie zukommt.
Ein „Serge“ gibt als Grund für die anhaltende Migration aus Afrika schlechte Regierungsführung an. „Sie ertränken Menschen in Armut. Es fehlen Schulen, Krankenhäuser, es gibt Korruption und Repression. All das bringt Menschen dazu auszuwandern.“ Insgesamt gaben 62 Prozent an, von ihrer jeweiligen Regierung unfair behandelt worden zu sein – viele davon aus ethnischen Gründen oder aufgrund einer anderen politischen Meinung.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind im Jahr 2019 bislang mehr als 91.000 Migranten nach Europa eingereist – deutlich weniger als in den Vorjahren. Die meisten von ihnen kamen auf dem gefährlichen Seeweg von Libyen oder Marokko in oftmals schrottreifen Booten. Die IOM geht davon aus, dass dieses Jahr mehr als 1000 Migranten bei der Überfahrt im Mittelmeer starben.
Viele Befragte wollen nur temporär in Europa bleiben, Geld verdienen und dieses an ihre Familien in der Heimat schicken. Ein Hauptgrund, nicht zurückzukehren, ist laut der Umfrage eine gefühlte Scham, wenn dies nicht gelingt. Insgesamt überweisen 78 Prozent Geld nach Hause, im Durchschnitt etwa ein Drittel ihres Einkommens – was wiederum 85 Prozent von dem wären, was sie in Afrika verdient hätten. Jeder Sechste lebt dabei in einem Wohnheim oder einem Camp, mehr als jeder Zehnte ist sogar obdachlos.
Kurioserweise kommt es unter afrikanischen Migranten in Europa zu einem umgekehrten „Gender-Pay-Gap“. So verdienen die befragten Frauen durchschnittlich elf Prozent in Europa mehr als die befragten Männer.
„Wenn man eine Familie hat, muss man sicherstellen, dass diese Essen, Obdach, Medizin und Bildung erhält. Ich habe eine kleine Tochter. Menschen fragen, was ich für ein Vater bin, sie und meine Frau zurückzulassen. Aber was wäre ich für ein Vater, wenn ich zurückbleiben würde und ihnen kein gutes Auskommen ermöglichen könnte?“, zitiert die Studie als Beispiel den Befragten „Yerima“.
71 Prozent der Befragten kommen aus Westafrika, allen voran aus Nigeria und dem Senegal, die meisten im Alter von 20 bis 29 Jahren. Als Fazit der Studie kamen die Autoren zu dem Schluss: Je einfacher Migranten Arbeit finden und Geld verdienen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ihre Heimat zurückkehren.