Politik darf nicht in Fußball rein! İlkay Gündoğan: Herzchen für den Kriegsherrn
Politik darf nicht in Fußball rein!
İlkay Gündoğan: Herzchen für den Kriegsherrn
Es geht um mehr als einen Like auf Instagram, der Erdoğan nützt. Der DFB
sollte die Fehler der Özil-Affäre nicht wiederholen – und İlkay Gündoğan
Grenzen setzen.
Der FC St. Pauli
zeigt, wie es
auch gehen kann: Weil der Fußballprofi Cenk Şahin öffentlich die
Militäroffensive seines Heimatlands Türkei in Nordsyrien unterstützt, und zwar
nachdrücklich, trennt sich
der Verein von seinem Spieler. Auch auf Druck der
Ultras, die
völkerrechtswidrige Angriffskriege ebenso verurteilen wie der deutsche
Außenminister, die Kanzlerin, die EU, die Sanktionen gegen die Türkei erwägt,
sowie beinahe die ganze Welt.
Der DFB war in einem ähnlichen Fall
deutlich milder. Die Nationalspieler İlkay Gündoğan und Emre Can haben ein Foto
auf Instagram gelikt, auf dem türkische Nationalspieler ein Tor mit einem
militärischen Gruß feiern. Das bejahende Signal der Spieler an den
Kriegsherrn Recep Tayyip
Erdoğan war
unmissverständlich, der türkische Fußballverband bestätigte es sogar. Das also
ist Can und Gündoğan ein Herzchen wert?
Sie hätten nur ihren Kumpel, den
Torschützen Cenk Tosun, supporten wollen, es sei keine politische Äußerung
gewesen, sagten Can und Gündoğan. Das kann man ihnen glauben, ein Knopf im
Internet ist tatsächlich schnell gedrückt, und beide nahmen ihren Like später
zurück.
Ein Trick, der durch die AfD vertraut ist
Aber man kann auch an ihrer Darstellung
zweifeln. Der Trick, erst zu provozieren, dadurch in einem bestimmten Lager zu punkten,
es jedoch hinterher nicht so gemeint zu haben, ist der deutschen Öffentlichkeit
seit Jahren durch die AfD vertraut.
So einfach, wie sich die beiden das machen
wollen, ist es jedenfalls nicht. Weil er schon im Vorjahr wie Tosun und Özil
mit Erdoğan auf einem Foto posierte, darf sich speziell Gündoğan über Fragen
nicht wundern: Ist es ihm egal, dass wegen Erdoğans Krieg bereits jetzt
Zigtausende Menschen auf der Flucht sind, dass Syrien zusätzlich destabilisiert
wird, dass die Terrormiliz "Islamischer Staat" wiedererstarkt? Oder,
weniger politisch: Wie findet es der Pazifist
Can, der im
vorigen Jahr das Foto mit Erdoğan ablehnte, wenn Fußballer mit einem Torjubel
eine Armee unterstützen, die Krieg führt?
Can und Gündoğan blieben nach dem Sieg in
Estland einsilbig, zeigten sich eher genervt. Gündoğan vermutete sogar eine
Kampagne der Medien oder "einer Partei", wie er sagte, womit er
offenbar die AfD meint. Die Fußballmillionäre verstehen offenbar nicht, dass es
nicht nur Journalisten und Politikerinnen sind, die Anstoß an ihrem Klick
nehmen. Auch viele Fans empören sich. Nicht nur Ewiggestrige zweifeln daran,
wie ernst die Spieler ihre Bekenntnisse zum Frieden und auch zu Deutschland
meinen.
Loyalität und Liebe zur Heimat der Eltern
oder Großeltern ist das eine, das darf man niemandem vorwerfen, zumal Menschen
mit internationalen Wurzeln oft von zwei Seiten unter Druck geraten. Etwas
anderes ist es, wenn man nationalistische Gesten wie die der salutierenden
türkischen Fußballer gutheißt. Gegen diese ermittelt
inzwischen die Uefa.
"Es kann sein, dass sich die beiden
gar nicht mit Erdoğans Politik identifizieren", sagte der Politikwissenschaftler
Mahir Tokatlı der Sportschau.
"Aber durch diesen Like befürworten sie den Nationalismus in der
Türkei."
Der DFB darf den Fall nicht unterschätzen.
Die Gefahr besteht, denn er veröffentlichte ein Bild des gesamten Teams und
schrieb: "Gemeinsam für Offenheit, Vielfalt und Toleranz. Gegen jede Form
von Gewalt und Diskriminierung." Das sind schöne Worte, denen man nicht
widersprechen kann und die keinem wehtun. Es mag löblich sein, die Spieler
gegen mögliche rassistische Äußerungen zu schützen, wie sie Özil erlitt, oder
auch Kritik aus der Türkei. Von dort werden Can und Gündoğan nun angefeindet.
Man hält ihnen vor, sie würden einknicken.
Cenk Sahin: FC St. Pauli wirft Spieler nach Militärgruß-Post raus
Der FC St. Pauli zieht die Reißleine! Nach
den Diskussionen um Mittelfeldspieler Cenk Sahin, der sich in einem
Instagram-Post mit den türkischen Soldaten solidarisiert und seine
Unterstützung für die Militäroffensive in Syrien zum Ausdruck gebracht hatte,
trennt sich der Verein von dem Spieler.
Die Verantwortlichen teilten mit, die
Angelegenheit sei intern aufgearbeitet worden. „Zur Entscheidungsfindung trugen
vor allem die wiederholte Missachtung der Werte des Vereins sowie der Schutz
des Spielers bei“, heißt es in dem Statement.
Cenk Sahin: Unterstützung für Syrien-Angriff
Die Nationalspieler der Türkei hatten
direkt nach dem Siegtreffer zum 1:0 in der EM-Qualifikation gegen Albanien am
vergangenen Freitag auf dem Platz und später auch in der Kabine mit der Hand an
der Stirn salutiert, Sahin teilte ein Foto von dem Jubel auf Instagram – und
wollte diesen auch nach massiver Kritik nicht löschen.