Aktivisten protestieren gegen Merkel am Stand von VW und BMW
Donnerstag 12.September.2019 - 08:16
Berlin (Welt) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei der Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt/Main an die Verantwortung der Autobauer appelliert. Deutschlands „hohe Mobilität hat ihren Preis, wenn nicht effizientere, klimafreundlichere Fahrzeuge hergestellt werden“, mahnte sie. Die europäischen Klimaziele für 2030 seien gleichzeitig eine „Riesenherausforderung“. Aktivisten von Greenpeace nutzten Merkels Auftritt für eine Protestaktion. Am Ausstellungsstand von Volkswagen kletterten zwei Aktivistinnen auf Autos und hielten Plakate mit der Aufschrift „Klimakiller“ hoch.
Merkel sagte, an die Automobilhersteller gerichtet, die Klimaziele zu erreichen sei „eine Herkulesaufgabe für Sie und für uns“. Seit 1990 sei „keinerlei CO2-Reduktion in der Gesamtmenge des Verkehrs“ erreicht worden, zusätzlich hätten unzulässige Abschalteinrichtungen mitten in einem „riesigen Wandel“ der Mobilität zu einem Vertrauensverlust bei den Kunden geführt.
Doch auch Erzeugung von Strom für Elektroautos muss laut Merkel noch nachhaltiger werden: „Wir sind noch weit davon entfernt, 100 Prozent erneuerbare Energien zu haben.“
Am Porsche-Stand präsentierte Porsche-Chef Oliver Blume der Kanzlerin das Vorzeige-Elektromodell Taycan. Produktion und Bestellungen beliefen sich bei dem Fahrzeug auf jeweils 30.000 Stück, erklärte er. „Also ein Jahr Wartezeit“, folgerte Merkel. Blume bot an: „Wir machen‘s exklusiv.“ Doch das lehnte Merkel mit den Worten „Ok. Ich hatte nicht vor, einen zu kaufen“, dankend ab.
Während Volkswagen-Chef Herbert Diess Merkel den VW-Stand zeigte, stiegen mehrere junge Leute auf die Dächer von ausgestellten VWs und entfalteten gelbe Transparente der Umweltorganisation Greenpeace. Darauf zu sehen waren ein stilisiertes brennendes Auto und der Slogan „Klimakiller“.
Trillerpfeifen waren zu hören. Eine junge Frau rief: „Frau Merkel, glauben Sie nicht den Lügen der Autoindustrie!“ Und: „Bitte schaffen Sie Diesel und Benzin ab, wenn Sie das Klimapaket machen.“ Die Bundeskanzlerin zeigte sich unbeeindruckt und ging mit dem Tross weiter zum Stand der Volkswagen-Tochter Audi.
Während Merkel den BMW-Stand besuchte, wurde zudem ein herannahender Protestler vom Sicherheitsdienst abgefangen und abgeführt. Für das Wochenende sind große Demonstrationen angekündigt.
„Die Bundeskanzlerin darf nicht länger zusehen, wie Automanager sich grüne Krönchen aufsetzen, aber ungerührt weiter klimaschädliche Diesel und Benziner entwickeln und verkaufen“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann. „Wenn die Bundesregierung in den nächsten Tagen ihr Klimaschutzpaket schnürt, dann muss der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor dazugehören.“
Greenpeace teilte mit, die Protestaktion habe sich „gegen die klimaschädliche Modellpolitik auch der deutschen Autohersteller“ gerichtet. „Trotz der unübersehbaren Auswirkungen der Klimakrise präsentieren Hersteller auf der IAA weiter mehrheitlich Autos, die Benzin oder Diesel verbrennen“, hieß es weiter in der Mitteilung.
Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, sprach bei Merkels Besuch von der „tiefgreifendsten Transformation, die unsere Branche jemals bewältigen musste“. Er gab zu: „Ja, zu viele Fahrzeuge in der Stadt beeinträchtigen unsere Lebensqualität durch Lärm, Abgase und Flächenverbrauch.“
Überregulierungen seien aber keine Lösung; Verbotsdiskussionen gefährdeten „die Akzeptanz und damit den Erfolg der Transformation“. Außerdem kritisierte der VDA-Präsident, der Ausbau erneuerbarer Energien und der „Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum“ gehe zu langsam voran.
Feldmann betonte, er sei nicht „Anti-IAA“. Er sei aber dafür, die Messe tatsächlich als Plattform für die Synergien der verschiedenen Mobilitätskonzepte zu nutzen. In der Auseinandersetzung der verschiedenen Verkehrssysteme könne die IAA eine große Rolle spielen.Die IAA steht in diesem Jahr stark unter Druck. Die Zahl der Aussteller sank von knapp 1000 auf der letzten IAA 2017 auf gut 800 in diesem Jahr, auch die Ausstellungsfläche ist etwa 16 Prozent kleiner. „Es geht nicht mehr um Quadratmeter, sondern um mediale Reichweite“, hatte Mattes vor der Eröffnung gesagt. Diese mediale Aufmerksamkeit wollen auch Autogegner nutzen, die für das Wochenende massive Proteste gegen die Klimabelastung durch die Autoindustrie angekündigt haben.
Frankfurts OB wurde ausgeladen
Auf der IAA-Eröffnung sprachen auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und der Chef des US-Technologieunternehmens Waymo, John Krafcik. Einen Auftritt von Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) gab es anders als in den Vorjahren dagegen nicht – er wurde nach eigenen Angaben explizit ausgeladen. Feldmann sagte dem Hessischen Rundfunk, er führe dies auf seine geplante kritische Rede zurück: „Ich hab schon das Gefühl, dass das da nicht so gut angekommen ist, dass man sich schon nicht so darüber gefreut hat, was ich schon vor zwei Jahren gesagt habe.“