Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
ad a b
ad ad ad

Merkel wirbt emotional für Klimaschutz, und bekommt Gegenwind von eigener Partei

Dienstag 10.September.2019 - 06:05
Die Referenz
طباعة
Berlin (Focus) - Wenn ihr Dinge wirklich wichtig sind, dann schaltet sich die Kanzlerin in die Debatte ein. Gestern, am frühen Abend, war es wieder so weit. Angela Merkel (CDU) hielt vor den Unionsabgeordneten einen flammenden Appell für den Klimaschutz: "Wer, wenn nicht wir, muss dazu jetzt einen wirklichen Beitrag leisten?" Eindringlich wandte sie sich an die Parlamentarier von CDU und CSU: "Wir stellen Weichen für die Zukunft, für die nächsten 30 Jahre." Es gehe um die Frage, ob die Bundesregierung zu ihren internationalen Verpflichtungen stehe. Merkel warb dabei offensiv für eine CO2-"Bepreisung". Diese Idee sei in ihrem Kern "ur-marktwirtschaftlich", betonte Merkel.

Teilnehmer der Sitzung beschreibt die Szene so: "Für ihre Verhältnisse war die Kanzlerin richtig leidenschaftlich." Der Fraktionsvorsitzende, Ralph Brinkhaus (CDU), machte deutlich, dass auch er es für dringend angezeigt hält, dass Deutschland jetzt beim Klimaschutz liefert und den Fachministern ("Klimakabinett") am 20. September der große Wurf gelingt.

CSU blickt auf Pendler
Unter den Abgeordneten allerdings gab es einige, die sich besorgt zeigten. Der CSU-Parlamentarier Max Straubinger etwa betonte, dass Menschen auf dem flachen Land weiterhin aufs Auto, auf Individualverkehr, angewiesen sind. In seinem Ort habe man ÖPNV-Angebote gemacht, die auf desaströse Resonanz stießen: "0,38" Personen reisten im Durchschnitt mit diesen Bussen. Auch sein Parteifreund Alois Rainer warnte vor übermäßiger Belastung der Menschen auf dem flachen Land. Für viele CSU-Politiker einmal mehr ein Kernanliegen: Die Pendlerpauschale soll "angemessen" hoch sein. Was das genau heißt, wird hinter den Kulissen hart diskutiert.

Es war das erste Mal seit der Europawahl, dass in der Unionsfraktion wieder lebhaft über streitige Themen gesprochen wurde. Die Wirtschaftspolitiker hielten sich, so ist weiter zu hören, weitgehend zurück. Viele von ihnen fürchten eine übermäßige Belastung von Unternehmen.

Klimafrage nicht "zur sozialen Frage" machen
Bei den Diskussionen zum Klimapaket spielt ohnehin das Ziel, Bürger und Wirtschaft nicht zu überfordern eine Schlüsselrolle. Zugleich aber muss der Gesamtvorschlag am Ende so ausfallen, dass das Erreichen des Klimaziels für 2030 und die folgenden Jahre auch wirklich realistisch ist.

So warben in der Runde auch einige Unionsabgeordnete engagiert für eine mutige Klima-Offensive. Der Hamburger Parlamentarier Rüdiger Kruse und Elisabeth Winkelmeier-Becker (beide CDU) aus Nordrhein-Westfalen zum Beispiel. "Bis Ende des Jahres" sollten "konkrete Schritte" unternommen werden, drängte Winkelmeier-Becker. Der CDU-Parlamentarier Andreas Jung, der bei der Entwicklung der Pläne der Union eine Schlüsselrolle spielte, betonte in der Sitzung, dass es am Ende entscheidend sei, dass die Klimafrage nicht zur sozialen Frage werde.

Kompromiss beim CO2-Preis gesucht
Die große Koalition will in zehn Tagen ihr großes Maßnahmenpaket für mehr Klimaschutz beschließen. Zwischen Union und SPD gibt es noch unterschiedliche Vorstellungen – auch in der Frage, wie eine Bepreisung von CO2-Ausstoß aussehen könnte. Die SPD liebäugelt – zumindest zum Einstieg - mit einer CO2-Steuer, die Union zieht den Emissionshandel vor. Ein Kompromiss, der nach Informationen von FOCUS Online gerade intensiv beraten wird: Zum Start des Handels mit Emissionszertifikaten für die Bereiche Verkehr und Gebäude könnte es Festpreise geben. Das wäre dann formal keine Steuer, hätte aber ähnliche Effekte. Klassischer Koalitions-Kompromiss. Noch aber wird verhandelt.

Nach Informationen aus der Bundesregierung werden sich vor dem Klimakabinett die Parteivorsitzenden der drei Parteien treffen, um entscheidende Knackpunkte zu klären.
"