Trump droht mit Truppenabzug aus Deutschland nach Polen
Freitag 23.August.2019 - 02:14
Berlin (Euractiv) - In Washington spricht man bereits seit Längerem von einer möglichen Verlagerung von US-Truppen aus Deutschland. Die Amerikaner ärgert insbesondere die deutsche Weigerung, mehr Geld für militärische Zwecke auszugeben. Der bevorstehende Besuch von US-Präsident Donald Trump in Polen im September könnte dieser Entwicklung nun eine weitere Wendung verleihen.
Mit 35.000 Personen beherbergt Deutschland die meisten US-Soldatinnen und -Soldaten in Europa. In den vergangenen Monaten haben amerikanische Diplomaten jedoch vermehrt laut über die mögliche Verlegung einiger in Deutschland stationierter Militärs in den Osten Europas nachgedacht. In Berlin befürchtet man eine weitere Verschlechterung der ohnehin angespannten transatlantischen Beziehungen.
CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer reagierte gegenüber der Bild am Sonntag allerdings mit der Aussage, die Präsenz von US-Streitkräften in Deutschland liege im „beiderseitigen Sicherheitsinteresse“. Hinweise, dass dies in den USA anders gesehen werde, lägen ihr nicht vor.
Auf dem Gipfel von Wales 2014 hatten sich die NATO-Mitglieder verpflichtet, bis 2024 ein Ziel von zwei Prozent des BIP an Verteidigungsausgaben zu erreichen. Im Mai 2018 erklärte die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen jedoch, dass Deutschland bis 2024 auf „nur“ 1,5 Prozent des BIP kommen würde.
Und trotz der Versprechungen ihrer Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer zu den NATO-Zielen sieht ein aktueller mittelfristiger Haushaltsentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bestenfalls 1,26 Prozent des BIP an Militärausgaben bis 2023 vor.
Das Thema belastet die Regierungskoalition aus Union und Sozialdemokraten, da letztere den Haushalt der Bundeswehr nicht erhöhen wollen.
Henning Riecke, transatlantischer Sicherheitsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), glaubt derweil: „Die Amerikaner haben Recht – Deutschland sollte mehr ausgeben.“ Gegenüber EURACTIV fügte er hinzu: „Wir sollten eigentlich für eine besser ausgestattete Bundeswehr bezahlen, da wir zu lange zu wenig ausgegeben haben und jetzt ein wachsender Haushalt und viele Forderungen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben vorhanden sind.“
Er sieht das Thema jedoch weiterhin als einen „harten Kampf, denn die deutsche Öffentlichkeit ist nicht sonderlich gut zu sprechen auf [höhere] Ausgaben für Bundeswehr und Verteidigung, wenn man noch andere politische Aufgaben – beispielsweise in Bezug auf Bildung oder soziale Fragen – zu erfüllen hat“. Erschwerend hinzukommen dürfte, dass die Sozialdemokraten und andere Kritiker größerer Verteidigungsausgaben dies nun „immer mit den Forderungen von Trump in Verbindung bringen können“.
Verschiebt Trump seine Truppen?
Während frühere US-Regierungen ebenfalls die mangelnden Ausgaben Deutschlands kritisierten, ist die Aussicht auf eine (teilweise) Verlagerung von US-Truppen von Deutschland nach Polen seit dem Amtsantritt von Trump deutlich realistischer geworden.
Anfang des Monats hat die US-Botschafterin in Warschau, Georgette Mosbacher, die Debatte über die Standortverlagerung erneut aufgenommen.
Nach einer im Juni zwischen den Präsidenten Trump und Andrzej Duda unterzeichneten Erklärung erwartet Polen, dass Washington seine militärische Präsenz im Land von 4.500 auf 5.500 Personen erhöht.
Als Duda kürzlich Washington besuchte, schlug er außerdem die Schaffung eines „Fort Trump“ in Polen vor; eine „erstklassige militärische Einrichtung“, für die Warschau die Kosten tragen wolle.
Derweil hat die Trump-Administration auch deutlich gemacht, dass man keine zusätzlichen Kräfte nach Europa entsenden, sondern lediglich Kontingente verschieben wolle, die bereits auf dem Kontinent stationiert sind. Aus Sicht des US-Botschafters in Berlin, Richard Grenell, sei eine Verlegung gen Osten durchaus zu rechtfertigen: „Es ist wirklich beleidigend, zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden,“ sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Warschau reagiert zurückhaltend
Warschau hat in den vergangenen Monaten weitere Anstrengungen unternommen, um sich näher an Washington zu binden und Polen als alternativen Standort für US-Truppen zu bewerben. Zu den jüngsten Charme-Offensiven gehörten Pläne zur Bestellung von 32 Lockheed F-35-Kampfflugzeugen aus den USA sowie eine Einladung für Trump zur Teilnahme an den anstehenden Gedenkfeierlichkeiten zum 80. Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen zu Beginn des 2. Weltkriegs.
Die Reaktionen der polnischen Regierung auf eine Verlegung von Truppen aus Deutschland waren jedoch eher zurückhaltend. Außenminister Jacek Czaputowicz sagte in einem Interview mit der Zeitung Rzeczpospolita auf die Frage, ob neue Truppen aus dem Westen kommen würden: „Es liegt an den Amerikanern, darüber zu entscheiden. Für uns spielen die in Deutschland anwesenden amerikanischen Truppen eine sehr positive Rolle. Ihre Anwesenheit stärkt unsere gemeinsame Verteidigung.“
Technische Details der verstärkten US-Präsenz in Polen – beispielsweise die Frage, welche Art von Streitkräften angesiedelt werden und wo der künftige Standort sein soll – würden während des bevorstehenden Besuchs von Trump in Polen bestätigt, fügte Czaputowicz hinzu.
„Polen würde mehr US-Truppen auf seinem Territorium natürlich begrüßen und stimmt auch mit den Vereinigten Staaten überein, was die Verteidigungsausgaben innerhalb der NATO betrifft. Aber die Reaktion der polnischen Regierung auf diese jüngsten Tweets und Bemerkungen war eher zurückhaltend und vorsichtig,“ kommentierte auch der Sicherheitsexperte Artur Kacprzyk vom Polnischen Institut für Internationale Angelegenheiten (PISM) gegenüber EURACTIV.
Aus polnischer Sicht seien die NATO-Truppen in Polen und in den baltischen Staaten zwar entscheidend für die Abschreckung, so Kacprzyk, aber auch die in Deutschland stationierte Einheiten würden als sehr wichtig erachtet, da sie im Konfliktfall schnell die Ostflanke verstärken könnten.
Seiner Ansicht nach wäre es daher eher „unrealistisch, dass die USA die Mehrheit ihrer Streitkräfte von Deutschland nach Polen verlegen. Zumindest dürfte dies nicht schnell zu erledigen sein, auch weil es viel Zeit und Geld kosten würde“.
Rattenschwanz und „leere Drohung“
Deutschland ist nach Japan der weltweit zweitgrößte Auslandsstandort der US-Streitkräfte.
Sicherheitsexperte Riecke warnte gegenüber EURACTIV in dieser Hinsicht: „Da es einen Bedarf an mehr Truppen in Osteuropa gibt, werden wir hier möglicherweise einige Kräfte verlieren – was nicht wirklich schlimm für Deutschland als solches wäre, aber schlecht für die lokalen Gemeinden, die [wirtschaftlich] darauf angewiesen sind, dass die Amerikaner dort sind.“
Zu den rund 35.000 Soldaten kämen 17.000 amerikanische und 12.000 deutsche Zivilisten, die vom US-Militär beschäftigt werden. Viele weitere Arbeitsplätze hängen von den amerikanischen Streitkräften beim US-Afrika-Kommando in Stuttgart und der Ramstein Air Base in Rheinland-Pfalz ab.
Dennoch sei das Szenario einer größer angelegten Verlegung von US-Truppen insgesamt „eine ziemlich leere Drohung“, glaubt Riecke. Er erinnert auch: „Es liegt im Interesse der USA, die Infrastruktur in Deutschland für ihre beiden Hauptquartiere und andere Einrichtungen zu nutzen.“