Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Wir schaffen das“: Johnson fühlt sich nach Merkel-Besuch „ermutigt“

Freitag 23.August.2019 - 02:09
Die Referenz
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Berlin (Nzz) - Boris Johnson, seit knapp einem Monat britischer Premierminister, hat der deutschen Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in Berlin seine Aufwartung gemacht. Die allgemeine Erwartung, dass beide zum Brexit nichts substanziell Neues sagen würden, erfüllte sich. Dennoch beschäftigte der Besuch das politische Berlin nicht wenig, vielleicht auch, weil unterschiedlichere Temperamente kaum denkbar sind: Wer Klischees liebt, mag Merkel und Johnson als Repräsentanten des jeweiligen Nationalcharakters sehen: hier deutsche Nüchternheit, da britische Frivolität. 

Vor dem gemeinsamen Abendessen traten beide vor die Presse; sie hielten es eher kurz und wiederholten vor allem bekannte Positionen: Sie hoffe auf einen «verhandelten Austritt» Grossbritanniens aus der EU, sei aber auf alles vorbereitet, sagte Merkel dem «lieben Boris». Johnson gab sich optimistisch, dass eine Einigung möglich sei: «Wir schaffen das», erklärte er auf Deutsch und griff damit einen berühmten Ausspruch Merkels auf. Das amüsierte auch die anwesenden deutschen Journalisten, die Johnson sonst eher selten freundlich behandeln. Wenn der sogenannte Backstop erst einmal gestrichen sei, so der Premierminister, werde man, da sei er sicher, zu einer Einigung kommen. 

Phantasie ist gefragt
Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen: Beim Backstop handelt es sich um eine Regelung, die auch im Fall eines Scheiterns künftiger Verhandlungen zwischen London und Brüssel garantieren soll, dass es innerhalb Irlands nicht zu Grenzkontrollen kommt. Brexit-Befürworter sehen im Backstop eine nicht hinnehmbare Einschränkung britischer Souveränität. Merkel hielt dem entgegen, die Regelung sei lediglich eine Rückfallposition. Beide beteuerten, kompromissbereit zu sein, ohne näher auszuführen, worin ein Kompromiss bestehen könnte. Durch Phantasie sei schon manches Problem gelöst worden, erklärte die Kanzlerin. Sollte ihre Phantasie ihr eine mögliche Lösung eingegeben haben, behielt sie diese für sich.

Es ist ein Pokerspiel, das beide Seiten betreiben, und Johnson tut dies anders als seine Vorgängerin Theresa May mit grosser Konsequenz. Seit seinem Amtsantritt betont er unablässig, sein Land um jeden Preis am 31. Oktober aus der EU führen zu wollen. Davon wird er wohl nur noch um den Preis seines politischen Überlebens abrücken können.

Rationale Positionen
In Deutschland halten viele die britische Position für unverantwortlich: Dass es Menschen und Nationen gibt, die der Idee einer sich immer weiter in Richtung Bundesstaat verdichtenden EU skeptisch oder gar ablehnend gegenüberstehen, überfordert offenbar deutsches Einfühlungsvermögen, zumindest, wenn man die veröffentlichte Meinung zum Massstab nimmt. Tatsächlich ist Johnsons Vorgehen taktisch ebenso vernünftig wie dasjenige von Merkel, sich von der zur Schau gestellten Entschlossenheit der Briten wenigstens nach aussen hin nicht beeindrucken zu lassen. 

Zu einem Wiedersehen beider Regierungschefs wird es bereits am Wochenende auf dem G-7-Gipfel im französischen Biarritz kommen. US-Präsident Donald Trump hätte Russland bei solchen Treffen gerne wieder mit dabei. Dafür hapere es auf russischer Seite bei der Umsetzung des Minsker Abkommens, erklärte Merkel. Auch Johnson äusserte sich ablehnend. Er verwies unter anderem auf einen Giftgasanschlag im englischen Salisbury, für den London Moskau verantwortlich macht. «Ein gutes Beispiel, wo wir gemeinsame Ziele haben», sagte er. Es folgte ein freundlicher Händedruck für die Kameras, dann zogen sich beide zurück. 



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