Niederlande: Burka-Verbot in Ämtern, Krankenhäusern und Nahverkehr tritt in Kraft
Amsterdam (Tagesschau) - Wer mit Nikab oder Burka in öffentlichen Gebäuden oder Bussen und Bahnen unterwegs ist, zahlt ab heute in den Niederlanden eine Geldstrafe. Das Verschleierungsverbot wurde mehr als zehn Jahre lang diskutiert - und ist bis heute umstritten. Der Widerstand dagegen ist groß seitens der Niederländer muslimischen Glaubens, aber auch seitens vieler Kommunen, die dies für unpraktikabel und nicht umsetzbar halten. Die Skepsis ist groß, ob das Burkaverbot in den Niederlanden in der Praxis funktionieren kann.
Als Erstes sehen verschleierte Muslima wie Karima ihre Religionsfreiheit eingeschränkt, fühlen sich diskriminiert. Deshalb wollen sie ihren Schleier nicht ablegen: "Das ist, als ob mir jemand sagt: 'Wenn du ins Rathaus willst, musst du die Hose ausziehen.' Das geht nicht, der Nikab ist Teil von mir geworden", sagt Karima.
Verbot auch im Krankenhaus
Mit Nikab oder Burka darf man aber Rathäuser nicht mehr betreten, auch keine Schulen und Behörden. Selbst Krankenhäuser sind tabu, weil Hospitäler in den Niederlanden ebenfalls in öffentlicher Hand sind. Entsprechend gilt auch dort das Verbot. Viele Ärzte wollen Menschen dennoch weiter versorgen, egal ob mit oder ohne Schleier: "Natürlich ist jemand in medizinischer Not immer willkommen. Der Krankenhauseingang darf jetzt keine Barriere sein", sagt Notarzt David Baden.
Ein verschleiertes Gesicht ist ebenfalls ab sofort in Zügen, Bussen, Straßenbahnen und Metros verboten. Das Gesetz verbietet Bekleidung generell, die das Gesicht bedecken. Gemeint sind auch Motoradhelme und Sturmhauben.
Ticket-Kontrolleure verweigern Einschreiten
Ministerpäsident Mark Rutte sagt, in den liberalen Niederlanden kommuniziere man mit offenem Gesicht. Eine Mehrheit der Niederländer ist laut Umfragen für das Burka-Verbot. Viele fragen sich aber auch, wer dies eigentlich kontrollieren soll? "Wir nicht", sagt Perdo Peters, Sprecher der ÖPNV-Mitarbeiter - also der Fahrer und Ticket-Kontrolleure. "Wir haben die Verpflichtung, Menschen, die bezahlt haben, zu transportieren. Wir haben aber gar nicht die Befugnis, jemanden aus der Bahn zu werfen, wenn die Person ihr Gesicht bedeckt."
Auch Bürgermeister - darunter aus Amsterdam, Rotterdam und Utrecht - wenden ein, solche Kontrollen seien nicht umsetzbar. Und sie verweisen darauf, dass sich unter den 17 Millionen Niederländern schätzungsweise kaum 500 voll verschleiert draußen bewegten.
Polizei will freundlich handeln
Ein Verstoß gegen das Burkaverbot kostet mindestens 150 Euro Strafe. Eine erste muslimische Kommunalpartei aus Den Haag hat schon angekündigt, die Strafen zahlen zu wollen. Und selbst Luthe Nieuwwerth von der Polizei in Den Haag sagt, man werde Verschleierte freundlich auf das neue Verbot hinweisen: "Das Ziel ist es, so viel wie möglich gesichtsbedeckende Kleidung an diesen bestimmten öffentlichen Orten zu verhindern. Das will der Gesetzgeber. Nicht, möglichst viele Anzeigen zu schreiben."
Das Burkaverbot kennt Ausnahmen: Erlaubt ist die Verschleierung weiterhin auf Straßen, Plätzen, Bahnhöfen, Bahnsteigen und an Flughäfen. Auch in Taxis und auf Fähren. Beinahe wäre ein komplettes Burkaverbot im gesamten öffentlichen Raum gekommen. Dafür hatte Rechtspopulist Geert Wilders 2005 überraschend eine Mehrheit im niederländischen Parlament bekommen.
Übrig geblieben ist nach 14 Jahren Regierungs- und Koalitionswechseln, Gesetzesvorlagen, Debatten in beiden Parlamentskammern dieser Kompromiss der jetzigen Mitte-Rechts-Regierung von Mark Rutte.