Bundeskanzlerin Merkel: Seenotrettung ist ein „Gebot der Humanität“
Berlin (Epd/Mig) - Als die Kanzlerin am Freitag den Saal der Bundespressekonferenz betritt, ist der Raum wie immer brechend voll. Zum 24. Mal in ihrer inzwischen knapp 14-jährigen Regierungszeit ist die in dieser Woche 65 Jahre alt gewordene Bundeskanzlerin der Einladung der Hauptstadt-Journalisten gefolgt. Wie stets in ihrer traditionellen Sommerpressekonferenz werden in den folgenden anderthalb Stunden nahezu alle aktuellen innen- und außenpolitischen Themen aufgerufen. Wie ein roter Faden zieht sich diesmal ein Thema durch, das zeitgleich eine junge Schwedin wenige Hundert Meter entfernt setzt.
Während Merkel vor der berühmten blauen Wand sitzt, steht die 16-jährige Greta Thunberg vor mehr als 2.000 Anhängern im Invalidenpark im Berliner Regierungsviertel und fordert Durchhaltevermögen beim Engagement für den Klimaschutz. Am Abend vorher hat das Klimakabinett der Bundesregierung getagt – ohne sich auf konkrete Schritte einigen zu können. Merkel muss sich die Frage stellen lassen, was sie den jungen Menschen konkret antworte.
Die Kanzlerin versichert, der Zeitplan der Bundesregierung bei diesem Thema sei klar getaktet. Auf die Frage nach dem Einfluss der Klimaschutzbewegung auf das Handeln der Politiker räumt sie ein: „Sie haben uns sicherlich zur Beschleunigung getrieben.“ Das Klimakabinett werde am 20. September entscheiden, ob es eine Bepreisung von Kohlendioxid-Emissionen geben soll. Wichtig ist der Kanzlerin dabei ein sozialer Ausgleich. Es gehe nicht darum, die Einnahmesituation zu verbessern, sondern Anreize anders zu setzen.
„Gebot der Humanität“
Merkel macht sich auch für einen Verteilmechanismus für im Mittelmeer gerettete Migranten stark. „Seenotrettung ist für uns nicht nur Verpflichtung, sondern ein Gebot der Humanität“, sagt Merkel. Sie freue sich, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit seinen EU-Amtskollegen versuche, zu einer „wenigstens von einigen Mitgliedsstaaten getragenen Verteilung“ zu kommen. Bei dem Treffen der europäischen Innenminister am Donnerstag in Helsinki war in dieser Frage allerdings noch keine Einigung erzielt worden. Ziel müsse ein „zeitlich befristeter Mechanismus“ sein, um nicht Ad-hoc-Lösungen bei jedem einzelnen Schiff finden zu müssen.
Gefragt nach den jüngsten Auslassung von US-Präsident Donald Trump über demokratische US-Politikerinnen mit Migrationshintergrund, wird Merkel deutlich. Sie holt tief Luft und sagt: „Ich distanziere mich deutlich davon und erkläre mich solidarisch mit den drei attackierten Frauen.“
Emotional wird die Kanzlerin bei der Frage nach den Befindlichkeiten in ihrer ostdeutschen Heimat. Die Arbeit der Treuhandanstalt sei seinerzeit „sehr leidenschaftlich“ gemacht worden, aber es seien sicherlich dabei „auch mental Verletzungen entstanden“, räumt sie ein. Sie habe immer wieder dafür geworben, „dass man sich noch mehr voneinander erzählt“, sagt Merkel und erinnert an Techniken im DDR-Alltag, die heute nicht mehr gefragt seien. So habe es Tauschbörsen gegeben, Sommersachen seien in der Mangelwirtschaft im Winter gekauft worden und ähnliches. „Man war ja fleißig in der DDR“, sagt Merkel.
„Vielzahl von Aufgaben“
Weitere Themen, die die Hauptstadtpresse besonders beschäftigen, sind die Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin und die Ernennung Annegret Kramp-Karrenbauers zur Verteidigungsministerin. Nach der Arbeit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (alle CDU) gefragt, sagt sie unter Gelächter: „Er schafft ’ne Menge weg.“
Die Herausforderungen, die vor der 2021 aus dem Amt scheidenden Kanzlerin und ihrer Ministerrunde liegen, werden kaum kleiner. Merkel selbst spricht am Freitag von einer „Vielzahl von Aufgaben“. Dass sie sich dafür trotz der Diskussionen über Zitteranfälle in den zurückliegenden Wochen gesundheitlich in der Lage sieht, macht sie ein weiteres Mal deutlich. Sie könne ihr Amt vollumfänglich ausüben, versichert die 65-Jährige: „Als Mensch habe ich auch persönlich ein hohes Interesse an meiner Gesundheit.“ Mit Blick auf ihr Ausscheiden in zwei Jahren fügt sie hinzu, sie hoffe, „dass es noch ein weiteres Leben gibt und das würde ich dann auch gerne gesund weiterführen.“