Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Ein Abgeordnete: Merkel sei der Grund für „rechte Proteste“

Montag 08.Juli.2019 - 12:43
Die Referenz
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Berlin (Merkur) - Migrationsfragen, Klima-Streit und Zoff um EU-Personalien bestimmten zuletzt die politische Debatte. Ein streitbarer Bundestagsabgeordneter will nun ein anderes Thema in den Fokus rücken. Er greift in einem Gastbeitrag zu Wirtschafts- und Sozialpolitik zu drastischen Worten: Marco Bülow, Ende 2018 aus der SPD-Fraktion ausgetreten, bezichtigt die Regierung Merkel unlauterer Kommunikation - und nennt die soziale Marktwirtschaft einen „Mythos“.

In einem zusammen mit der linken Journalistin Ines Schwerdtner verfassten Artikel für die Webseite Business Insider fordert der fraktionslose Abgeordnete eine „völlig neue Wirtschaftsordnung“. Bringt aber auch - angesichts aufgeheizter Debatten vermutlich brisanter - das Erstarken rechter politischer Kräfte mit einer wirtschaftlichen Schieflage in Verbindung. „Mittlerweile bestimmen Zukunftsängste Denken und Handeln, das viel zu oft in rechtem Protest mündet“, schreiben Bülow und Schwerdtner.

Der Einwurf kommt zu einem Zeitpunkt, an dem auch die Union laut über Justierungen am Konzept „Soziale Marktwirtschaft“ nachdenkt - am Donnerstag hatte Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit CDU-Mitgliedern über „70 Jahre Düsseldorfer Leitsätze“ debattiert. Klare Ergebnisse drangen im Anschluss an die Veranstaltung allerdings nicht an die Öffentlichkeit - Vorschläge sollten „über den Sommer“ erarbeitet werden, sagte Kramp-Karrenbauer. Klar sei aber: „Die Wirtschaft muss den Menschen dienen“. 

Merkel in der Kritik: „Dieser Fakt wird schlicht negiert“

Deutschland sei von einer „Aufstiegs- zu einer Abstiegsgesellschaft geworden“, schreiben nun Bülow und Schwerdtner. „Wenn Angela Merkel nicht müde wird zu betonen, dass es Deutschland gut geht, wird dieser Fakt schlicht negiert“: Vor allem eine kleine Minderheit profitiere von der Wirtschaftsstärke des Landes. Die Kanzlerin erzähle nicht, wem es gut gehe, so ihr Vorwurf.

Auch konkrete Forderungen stellen Bülow und Schwerdtner in ihrem Artikel auf. Darunter findet sich eine „neue Solidargemeinschaft“ jenseits von Enteignungsforderungen, wie sie zuletzt in Zusammenhang mit dem Berliner Wohnungsmarkt oder auch in den Thesen von Kevin Kühnert auftauchten. „Weder Teile der Deutschen Bahn noch Renten sollten auf Aktienmärkten gehandelt werden“, heißt es etwa in dem Text.

SPD-Regierungschef sieht „Vertrauen in soziale Marktwirtschaft verloren“ - Neues Parteiprogramm gefordert

Auch der an der Wahl zum Parteivorsitzenden gescheiterten CDU-Hoffnungsträger Friedrich Merz wird mit Kritik bedacht. Ginge es nach Politikern wie Merz, „würden wir unsere Altersvorsorge noch viel stärker von den Aktienmärkten abhängig machen. Das ist brandgefährlich“, warnen Bülow und Schwerdtner. Bereits in der Finanzkrise 2008 sei ein Viertel des im kapitalgedeckten Alterssicherungssystem angelegten Ersparten vernichtet worden. Zu den Gewinnern habe dabei die Gesellschaft Blackrock gezählt, für die Merz arbeitete.

„Die ‚Soziale Marktwirtschaft‘ ist heute nur noch ein Etikettenschwindel“, heißt es weiter. Nun sei eine neue Wirtschaftsform gefordert: „Sei es eine Gemeinwohlökonomie oder ein Postkapitalismus - über Begriff und Inhalte sollten alle mitbestimmen und streiten dürfen.“

Am Wochenende hatte sich auch ein prominenter Ex-Genosse Bülows mit Kritik zu Wort gemeldet. „Das Vertrauen in unsere soziale Demokratie, die soziale Marktwirtschaft und in die Gestaltungskraft der großen Volksparteien ist verloren gegangen“, schrieb Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) in einem Beitrag im Tagesspiegel. Er forderte ein neues Grundsatzprogramm für seine Partei.
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