Die Hochzeit von Özil: der tiefe Sturz eines gefeierten Idols
Sonntag 09.Juni.2019 - 02:17
Berlin (Welt) - Eine Hochzeit gilt vielen als wichtigster Tag im Leben, den man gemeinsam mit der Familie und Freunden feiert. Als Trauzeugen wählt man üblicherweise engste Vertraute, mit denen man den Blick aufs Leben teilt. Mesut Özil aber, der ehemalige deutsche Nationalspieler mit türkischen Wurzeln, hat entweder keine engen Freunde, oder aber ihm fehlt das Gespür für die richtigen. Er wählte Recep Tayyip Erdogan, den Präsidenten der Türkei.
Einen Mann also, der sein Land in eine Autokratie verwandelt, einen Mann, der Dissidenten verfolgt und unliebsame Journalisten einsperren lässt (wie zum Beispiel unseren Kollegen Deniz Yücel, der ein Jahr lang ohne Anklage in einem Hochsicherheitsgefängnis festgehalten wurde). Viele sind immer noch in Haft. Dass Mesut Özil all diese Vergehen ausblendet und in einem osmanischen Palast am Bosporus die Verbindung mit seiner Frau ausgerechnet von Erdogan segnen lässt, besiegelt den tiefen Sturz eines gefeierten Idols.
Mesut Özil galt in Deutschland als Integrationsfigur, seine Leistungen in der Nationalmannschaft machten ihn zum Vorbild unzähliger Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Er mag die Nationalhymne nie mitgesungen haben, aber mit dem Adler auf der Brust stand er für ein Versprechen: Alles ist möglich in Deutschland, nicht nur für Biodeutsche. Am Ende will die Kanzlerin ein Foto mit dir.
Dass Özil sich offenbar trotzdem nicht als Teil dieser Gesellschaft und Wertegemeinschaft begreift, wird in Deutschland zu Recht als Zurückweisung empfunden. Er muss nicht die Hymne singen, er muss keine deutsche Fahne schwenken – aber einem Autokraten zu huldigen und damit die Werte zu verraten, für die Deutschland steht, das Land, in dem er geboren ist – das geht zu weit.