Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Macron setzt Merkel unter Druck Beim Klimaschutz

Sonntag 12.Mai.2019 - 04:28
Die Referenz
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Sibiu (Welt) - Luisa Neubauer sitzt in einem kleinen Café in der Altstadt von Sibiu, als ihr Handy klingelt. Sie hebt ab, ist plötzlich hellwach. „Okay, okay“, sagt sie schnell. „Wo soll ich hinkommen?“, fragt sie auf Englisch. Die Klimaschutz-Aktivistin steht auf und verlässt das Café, hier am Hauptplatz der rumänischen Stadt. Vor der Tür warten schon Mitstreiter. „Macron will uns treffen“, sagt sie, als sie vor die Tür tritt, hinaus auf das Kopfsteinpflaster. Auf der anderen Seite des Platzes steht das Gebäude, in dem die Staats- und Regierungschefs der EU sich gerade zu ihrem Gipfel versammeln. Neubauers Plan scheint aufzugehen.

 

Auch Emmanuel Macron ist mit einem Plan nach Sibiu gereist. Das wird schon am Mittag klar, als der Präsident im strahlenden Sonnenschein aus seiner Limousine steigt – und sich auf den Weg ins Gipfelgebäude macht. Macron schlendert über den roten Teppich und bleibt entspannt bei den Reportern stehen. „Es gibt drei Herausforderungen“, sagt er. Den Schutz der EU-Außengrenzen und die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Am längsten aber spricht er über einen dritten Punkt, um den es bei der EU lange nicht mehr ging: den Klimaschutz. Macron hat ein Papier mitgebracht zum Gipfel, in dem neben Frankreich sieben andere Staaten fordern, dass die EU bis spätestens 2050 netto null Treibhausgasemissionen haben soll. Schweden, Dänemark, Spanien, Portugal und die Benelux-Länder haben unterschrieben. Deutschland – das sich selbst seit einem Jahrzehnt als Vorreiter beim Klimaschutz sieht – hat nicht unterzeichnet. „Man muss manchmal vorangehen, um die Dinge in Bewegung zu bringen“, sagt Macron. „Deutschland wird sich uns schon noch anschließen.“ Er geht ins Gebäude und plaudert länger mit Angela Merkel. Noch sind Kameras im Saal, Macron legt seine Hand auf die Schulter der Kanzlerin. Man lacht.

 

Während drinnen deutsch-französische Einigkeit demonstriert wird, sind die Dinge draußen schon in Bewegung. Zwei von Macrons Beratern sitzen mit Luisa Neubauer Café „Rabbit Hole“ am Marktplatz, wie die Klimaschutz-Aktivistin später erzählt. Macrons Team habe sie kontaktiert, sagt Neubauer. Man kennt sich ja vom Treffen im Februar in Paris. Der Präsident hatte Neubauer zusammen mit der „Fridays for Future“-Initiatorin Greta Thunberg in den Élysée-Palast eingeladen.

 

 

Neubauer ist mit zwei Dutzend Mitstreitern nach Sibiu gereist, 24 Stunden im Bus. Sie wollten bei der Ankunft der Staats- und Regierungschefs demonstrieren, aber die rumänische Polizei ließ sie mit den Schildern und Transparenten nicht in die abgeriegelte Innenstadt. Was blieb, war die vage Hoffnung, dass sie einen Brief mit Forderungen, den die „Fridays for Future“-Bewegung am Donnerstag in mehreren europäischen Medien veröffentlichte, an einen der Gipfelteilnehmer überreichen können. Nun steht Neubauer an der Absperrung am großen Platz von Sibiu, an dem mit dem Macron-Team verabredeten Ort. In der Hand hält sie den Brief. 20 Minuten stehen sie etwas unschlüssig auf dem Platz, als plötzlich eine große Gruppe von Männern in dunklen Anzügen aus dem Gebäude kommt. Es ist Macron – zusammen mit den sieben anderen Staats- und Regierungschefs, die seine Initiative unterschrieben haben. „Wir haben sogar einen neunten mitgebracht“, sagt Macron. „Lettland hat als erstes osteuropäisches Land auch unterschrieben.“„Es ist doch lächerlich, was hier passiert“, sagt Neubauer. „Wenn die „Fridays for Future“-Bewegung in Deutschland mit Politikern spreche, sagten diese, dass sie auf europäischer Ebene auf Fortschritte beim Klimaschutz dringen würden. „Und jetzt sind die Deutschen mit euch Jungs hier und schließen sich nicht mal eurer Initiative an.“ Der niederländische Premier Mark Rutte kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Macron hört Pokerface zu. Dann sagt er: „Zunächst einmal ist das, was ihr macht, brandneu.“ Dadurch werde großer Druck aufgebaut. „Und wir brauchen diesen Druck, um etwas zu ändern.Ich bin sicher, wir werden am Ende auch Deutschland an unserer Seite haben“, sagt Macron. Luisa Neubauer überreicht Macronihren Brief.

 

Es dauert nicht lange, bis Emmanuel Macron auf seinem Twitter-Account ein Video des Treffens postet. „Diese jungen Frauen zeigen uns, wie ungeduldig die Jugend ist“, steht da. „Mehr denn je sind wir bereit, auf die ökologischen Herausforderungen mit unseren europäischen Partnern zu reagieren. Ich danke diesen Frauen für ihre Energie.“ Die Botschaft richtet sich natürlich an eine andere Frau. Die nannte man im Jahr 2007 einmal Klimakanzlerin, Luisa Neubauer war damals elf Jahre alt.

 

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