Strenge Anweisungen von der Kanzlerin: ZDF enthüllt Merkels Geheimnissen bei TV-Auftritten
Berlin (Zdf) - Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ans Rednerpult tritt, ist ihr nicht nur die Rede wichtig, sondern auch das Pult. "Das Rednerpult sollte über eine geschlossene Vorderseite verfügen und eine Höhe von 1,10 m an der Vorderkante nicht überschreiten", lautet die Empfehlung des Bundespresseamts. In Pultnähe seien Blumen-Arrangements nur dezent einzusetzen. Weiß als Grundfarbe des Pultes sei "aus bildtechnischen Gründen" zu vermeiden.
Hinweise zu Beleuchtung und Bühnengestaltung
Wer das Glück oder das Pech hat, eine Veranstaltung durchzuführen, zu der die Kanzlerin erwartet wird, bekommt im Vorfeld eine Fünf-Seiten-Liste mit sehr konkreten Wünschen ausgehändigt. Sie reichen von der Beleuchtung ("fernsehgerecht") über die Bühnengestaltung ("Weiß unbedingt vermeiden") bis hin zum Absperrsystem ("Kordelständer Typ Tensator o. ä."). Die Empfehlungen der Abteilung Medienbetreuung des Bundespresseamts betreffen sowohl den Ablauf der Veranstaltung als auch die bildliche Gestaltung.
Der Leitfaden, der dem ZDF vorliegt, verrät einiges darüber, wie Merkel Journalisten auf Distanz hält. So entscheiden die Medienbetreuer buchstäblich nach Zentimeterlage, ob fotografiert und gefilmt werden darf, wenn die Bundeskanzlerin ihren Platz in der ersten Reihe einnimmt.
Der Abstand zwischen der ersten Sitzreihe und der Bühne sollte mindestens 3,50 Meter betragen, "andernfalls ist dieser Bildtermin nicht möglich". Während der Veranstaltung soll die der Presse zugewiesene Position einen Abstand von 25 Metern "zum Bildmotiv" nicht überschreiten. Der Platzbedarf pro Kameramann oder Fotograf soll 70 Zentimeter betragen.
Konsequente Kontrolle der öffentlichen Auftritte
Ihre Wirkung in der Öffentlichkeit, vor allem im Fernsehen, ist Merkel in den 13 Jahren ihrer Kanzlerschaft immer wichtiger geworden. So kompromisslos sie ihre Privatsphäre abschirmt, so konsequent versucht sie, das Bild ihrer öffentlichen Auftritte zu kontrollieren, wo immer das in ihrer Macht liegt. Merkel ist nicht eitel, aber geübt. Sie weiß, wie sie gesehen werden will – und wie nicht: nicht von der Seite, nicht von unten, nicht beim Gehen.
Wenn Merkel reist, wird sie fast immer von ihrer Visagistin begleitet. Ein offizieller Fotograf und der Haus-Kameramann produzieren Hochglanzbilder, auch in Situationen, zu denen normale Bildberichterstatter keinen Zugang haben. Weil Merkel die Nähe zu ihrem Regierungssprecher wichtig ist, sollen die Veranstalter für Steffen Seibert "bitte einen Platz in der Reihe hinter Bundeskanzlerin vorsehen", heißt es in der Wunschliste. Für den Stenografen des Bundespresseamts sind ein Tisch und ein Stuhl bereitzustellen.
Selbst die Stufenhöhe ist geregelt
Für einige der "Empfehlungen und Erfahrungswerte", die das Bundespresseamt an Merkels Gastgeber verteilt, muss man als Fernsehjournalist höchst dankbar sein. Dass es sinnvoll ist, Tonverteiler ("mit genügender Zahl von Ausgängen") in der Nähe der Kameraposition bereitzustellen, darf sich ruhig herumsprechen. Dass Podeste für Kameras nicht wackeln sollen auch.
Wenn Fotografen und Kameraleute auf Stufen gestapelt werden müssen, gibt das Bundespresseamt eine Stufenhöhe von 40 bis 50 Zentimeter vor. Damit wird niemandem die Sicht durch den Vordermann verstellt.
Lieber langweilig als angreifbar
Manche Anweisungen spiegeln Merkels politische Vorsicht wieder: "Auf die Platzierung von Sponsorenlogos im bildrelevanten Bereich bitte unbedingt verzichten!" Merkel, die ihre politische Karriere als Pressesprecherin begann, hat schon immer genau darauf geachtet, vor welchem Hintergrund sie gefilmt wird. Nichts soll interpretierbar sein, nichts nutzbar für Satireshows oder Verschwörungsseiten. Lieber langweilig als angreifbar.
Auch in den Anleitungen des Bundespresseamts fällt auf, dass alles fehlt, was kritische Beobachter als Pomp tadeln könnten. Während sich Frankreichs Präsidenten für jede Inlandsreise ein passendes Rednerpult tischlern lassen, bringen Merkels Betreuer nicht mal den Bundesadler an. Keine Fahnen, keine Allüren, kein Teleprompter: Merkel pflegt ihr Bild als oberste Sachbearbeiterin. Dabei ist auch das Merkel-Grau mit Sorgfalt und Bedacht gewählt.
Die Kanzlerin soll nicht überstrahlt werden
"Ein mittlerer Farbton als Grundfarbe ist ideal", beschreibt das Bundespresseamt einen fernsehgerechten Bühnenhintergrund, "zum Beispiel hellblau oder mittelgrau." Das Material soll nicht glänzen und nicht reflektieren. Deshalb sei die Farbe Weiß unbedingt zu vermeiden. Bei weißem Hintergrund und reflektierendem Licht kommt es zu einem Effekt, den Kameraleute "Überstrahlen" nennen. Und das soll ja gerade nicht passieren. Dass die Kanzlerin überstrahlt wird.