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AKK und Merkel: Streit um das Kanzleramt

Dienstag 07.Mai.2019 - 04:53
Die Referenz
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Berlin (Focus) - Heute schauen Prinz Charles und Camilla kurz im Kanzleramt vorbei. Angela Merkel liebt solche Termine. Nicht speziell, weil es sich um den Prince of Wales und die Duchess of Cornwall handelt, sondern weil sie generell Menschen mag, die Interessantes zu erzählen haben. Da kommt es doppelt gut, dass sie jetzt etwas mehr Zeit hat als all die Jahre zuvor, als sie noch „nebenbei“ die CDU führen musste. Warum sollte sie das Kanzleramt verlassen – jetzt, wo sie den Parteivorsitz abgegeben und ein kleines bisschen mehr Muße hat für Angenehmes neben der Pflicht?

 

Muss sie nicht. Will sie auch nicht. Das Problem ist nur: Viele Beobachter vermitteln seit Wochen den Eindruck, ein Wechsel stehe unmittelbar bevor. So muss sich Merkel an ihrem Arbeitsplatz allmählich fühlen wie ein Party-Gast, der gern bis nach Mitternacht bleiben würde, vom Gastgeber jedoch permanent angegähnt wird. Unausgesprochenes Signal: Wenn Sie jetzt bitte gehen würden.

 

Wann geht sie endlich? Wann kommt sie endlich?

 

Weder Merkel noch ihre Nachfolgerin im CDU-Vorsitz, Annegret Kramp-Karrenbauer, haben diesen Eindruck geschürt. Unter den Folgen aber leiden beide. Merkel, die regulär noch zweieinhalb Jahre Amtszeit vor sich hätte und aktuell Top-Beliebtheitswerte erzielt, muss sich fühlen wie eine Regierungschefin auf Abruf. „AKK“ wiederum wird aktuell vor allem als Kanzlerin im Wartestand gesehen, als Frau im Vorzimmer der Macht. Leitfragen: „Wann geht sie endlich?“ „Wann kommt sie denn endlich?“ – gerade so, als habe die eine ihren Abschied und die andere ihr Kommen angekündigt und als kämen beide nicht zu Potte.

 

Geht das einige Zeit so weiter, droht ein erheblicher Verschleißprozess. Gestern Abend, bei einem der Empfang der „Süddeutschen Zeitung“, saßen die beiden demonstrativ zusammen, damit sehen konnte, wer es nicht glauben will: Sie verstehen sich nach wie vor ziemlich gut.

 

Verwirrende Klimadebatte

 

„Die beiden haben sich etwas sehr Anspruchsvolles vorgenommen, und das in einem öffentlichen Umfeld, das jede Woche neue Nahrung für Debatten haben will“, meint jemand, der beide Frauen gut kennt.

 

Für die Parteivorsitzende aber ist das im Moment ziemlich ungemütlich. Auch wenn Demoskopen die Union gerade wieder etwas höher taxieren: Die bundespolitischen Umfragewerte für die CDU sind nur mäßig, AKKs eigene Werte auch. Die Parteiflügel schlagen mächtig, inoffizielle Gruppen führen vor allem im Osten zunehmend ein Eigenleben. Und in der Diskussion über eine CO2-Steuer als Antwort auf den Klimawandel wirkt die Partei ziemlich unsortiert.

 

Meinungsstreit lässig sehen

 

Zuletzt hatte die Chefin selbst zur Verwirrung beigetragen. Kramp-Karrenbauer hatte vor einer Woche die Stimmung im Parteivorstand so gedeutet, als sei eine klare Mehrheit gegen eine CO2-Steuer. Daraufhin hatte sie verkündet, dass man die Idee aus dem Entwurf eines Positionspapiers zum Klimaschutz streichen solle. Bei einem Wahlkampfauftritt in Halle hatte sie das bekräftigt. Mittlerweile aber haben sich sowohl Vize-Parteichef Armin Laschet als auch der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus von dieser Haltung abgrenzt. Gestern wiederum betonte „AKK“, der Fokus der CDU liege auf Emissions- und Zertifikatehandel sowie auf Anreizen, nicht auf einer CO2-Steuer. Ohnehin sei eine europäische oder globale Lösung der beste Weg. Auch das sagte sie bei einer Buchvorstellung beim „Handelsblatt“: Die CDU sei eine „lebendige Volkspartei“. Da gehöre Streit dazu.

 

Spitzenpolitiker können sich streiten, und Parteivorsitzende könne sich auch mal selbst korrigieren. Das lässt sich kühl als Indiz für eine Demokratie bewerten, die nicht in scheintoter Lähmung verharrt. In diesem Fall aber sind die Hintergründe für die unruhigen Signale der Parteivorsitzenden bemerkenswerter als die eigentliche Standpunkt-Suche der CDU.

 

Wirtschaftsflügel immer im Blick

 

Der Vorgang ist in einem Punkt typisch: Er zeigt, wie sich unklare Botschaften der CDU selbst, simplifizierte Debatten in der Öffentlichkeit und unionsinternes Flügel-Schlagen zu einer üblen Mischung verbinden können.

 

Die Saarländerin, die sich auf dem Parteitag im Dezember nur knapp gegen den einstigen Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz durchgesetzt hatte, sucht seither konsequent den Schulterschluss mit dem Wirtschaftsflügel. Und der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung (MIT) zum Beispiel, Carsten Linnemann, setzt auf Emissionshandel; eine CO2-Steuer lehnt er ab.

 

Woher könnte Gefahr drohen?

„AKK“ habe in ihrem Eifer womöglich übersehen, dass andere wirtschaftsnahe Unionspolitiker wie Brinkhaus und auch einige führende Vertreter der Wirtschaft in dieser Frage eine andere Meinung vertreten, mutmaßen manche in der Partei. Und genau hier sehen sie ein Problem der Chefin: Sie wolle es möglichst vielen recht machen und schiele vor allem auf echte und vermeintliche Wünsche der Konservativen und des Wirtschaftsflügels, weil von hier Gefahr drohen könne.

 

Schließlich kommt von hier auch permanent Druck: (Noch) mehr Härte bei Abschiebehaft, Soli-Abschaffung für alle, Unternehmenssteuerreform. Der CSU-Vorsitzende kommt derweil mit eigenen Steuer-Ideen um die Ecke. Und der Unionsfraktionsvorsitzende Brinkhaus sieht sich offenbar auch nicht gerade als einer, der Anweisungen der CDU-Vorsitzenden entgegennehmen und Arbeitsaufträge des Parteitages aufgreifen muss. Muss er ja auch nicht. Also arbeitet der 50-Jährige erst mal ein bisschen am eigenen Profil.

 

Einige wollen ihr Machtfeld ausbauen

 

Und so scheint es gerade, als testeten einige Akteure, wie weit sie in dieser Übergangsphase ihr eigenes Machtfeld ausbauen können. Diese Übergangsphase könnte noch länger dauern. Über zwei Jahre.

 

Kramp-Karrenbauer selbst hat sich das bisher immer ganz gut vorstellen können. Eigentlich war es sogar so gedacht. Schließlich gibt es in der Partei genug zu tun, und so kann sie sich selbst besser aufs Kanzleramt vorbereiten. Nur: Hält die öffentliche Begleitmusik an, dann könnte die Zeit für AKK arg lang werden, bis sie den Sprung ins mächtigste Amt vornehmen könnte. Über zwei Jahre als lange Zeit? Alles relativ. Prinz Charles könnte dazu heute so seine eigenen Gedanken haben.

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