Herausgegeben vom CEMO Centre - Paris
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Das Feuer von Notre-Dame wurde erst beim zweiten Alarm entdeckt

Dienstag 16.April.2019 - 06:48
Die Referenz
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Paris (Welt) - Ein Großfeuer hat die weltberühmte Pariser Kathedrale Notre-Dame verwüstet. Über Stunden schlugen am Montagabend Flammen lichterloh aus dem Dachstuhl des Wahrzeichens der französischen Hauptstadt, über dem monumentalen Sakralbau war eine riesige Rauchsäule zu sehen. Feuerwehrleute teilten am Dienstag mit, das Feuer sei inzwischen vollständig gelöscht. Laut Innenministerium besteht jedoch immer noch Einsturzgefahr. Nach ersten Erkenntnissen sind drei Menschen leicht verletzt worden. Dabei handele es sich um zwei Polizisten und einen Feuerwehrmann.

Da die „Brandgefahr“ mittlerweile gebannt sei, müsse nun geklärt werden, wie die „Bausubstanz“ der Kirche dem Feuer standhalten werde, sagte Innenstaatssekretär Laurent Nuñez am Dienstagmorgen. Experten und Architekten sollen seinen Angaben zufolge in Kürze darüber beraten, ob die Kathedrale „stabil“ sei und die Feuerwehr ihre Arbeit im Innern fortsetzen könne. Das ganze Ausmaß der Zerstörung des Pariser Wahrzeichens ist noch ungewiss.

Der Direktor des Gotteshauses sieht keine Sicherheitsmängel beim Brandschutz. Es gebe etwa Brandaufseher, die drei Mal täglich den Dachstuhl prüfen, sagte Patrick Chauvet am Dienstagmorgen dem Sender France Inter.

Die Pariser Staatsanwaltschaft geht weiter davon aus, das der verheerende Brand in der Kathedrale Notre-Dame auf einem Unfall beruht. „Nichts weist derzeit in die Richtung einer vorsätzlichen Tat“, sagte der Pariser Staatsanwalt Rémy Heitz. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits in der Nacht bestätigt, dass sich die Ermittlungen um eine „unbeabsichtigte Zerstörung“ durch Feuer drehen.

Laut Heitz werden Zeugen angehört. Dazu gehören auch Arbeiter, die bei den Renovierungsarbeiten in der Kathedrale beschäftigt waren. Laut Heitz suchen rund 50 Ermittler nach der Brandursache. Es habe am Montag zwei Mal Alarm gegeben: Einmal um 18.20 Uhr, dabei seiner aber bei einer Überprüfung kein Feuer entdeckt worden. Der zweite Alarm wurde um 18.43 Uhr ausgelöst – dann sei der Brand im Dachstuhl entdeckt worden.

Der kleine Spitzturm in der Mitte des Dachs brach zusammen. Rasch griff das Feuer auf große Teile des Dachstuhls über. Nach Kirchenangaben brannte auch die hölzerne Inneneinrichtung. Aus den beiden großen Türmen der Kathedrale drang schwarzer Rauch. Die Feuerwehr äußerte sich am späten Abend aber zuversichtlich, dass die Kathedrale nicht völlig zerstört wird. „Man kann annehmen, dass die Struktur von Notre-Dame gerettet und in ihrer Gesamtheit bewahrt ist“, sagte Feuerwehrchef Jean-Claude Gallet.

Zeitweise war unklar, ob das Feuer aufgehalten werden kann

Nach Angaben des Innenministeriums war die Feuerwehr mit einem Großaufgebot vor Ort. Rund 400 Feuerwehrleute versuchten, den Brand einzudämmen. Die Polizei gehe nicht von einem terroristischen Hintergrund aus, erklärte ein Sprecher. Laut der französischen Nachrichtenagentur AFP ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Brandstiftung. Das Feuer kurz vor Ostern könne mit Renovierungsarbeiten zusammenhängen, heißt es unter Berufung auf die Feuerwehr. Es sei auf dem Dachboden ausgebrochen und gegen 18.50 Uhr entdeckt worden. Auf dem Dach der Kathedrale war ein Baugerüst angebracht.

Die erste Schadensbilanz am Dienstag

Nach Stunden brachten die Einsatzkräfte das Feuer schließlich unter Kontrolle. In der Nacht waren sie aber noch damit beschäftigt, das Bauwerk zu sichern und abzukühlen. Zuvor hatte Feuerwehrchef Jean-Claude Gallet bereits eine erste Entwarnung gegeben: Die Gebäudestruktur der Kathedrale hätten seine Kollegen retten können, indem sie verhindert hätten, dass das Feuer den nördlichen Glockenturm erfasse. „Zwei Drittel des Dachstuhls wurden verwüstet“, fügte er jedoch hinzu. Zuvor war die Feuerwehr zeitweise „nicht sicher“ gewesen, ob sie die Ausbreitung des Feuers aufhalten kann.

Am Morgen danach kommen die ersten konkreten Schadensaufnahmen. Der mittelalterliche Dachstuhl, die originale Eichenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert: verloren. Teile der Gewölbekuppeln: eingestürzt. Einer der ersten Opfer war der 96 Meter hohe hölzerne Vierungsturm aus dem 13. Jahrhundert. Er brach unter den Flammen und dem Stöhnen der Bevölkerung am Seine-Ufer in sich zusammen. Temperaturen von bis zu 1000 Grad, Rauch, aber auch Löschwasser haben schwerste Schäden am Mauerwerk der Kirche verursacht.

Dornenkrone und Orgel von Notre-Dame konnten gerettet werden

Eine der wichtigsten Reliquien der katholischen Kirche ist aus der brennenden Kathedrale gerettet worden. Es handele sich dabei um die Dornenkrone, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll, sagte Patrick Chauvet, der Direktor des Gotteshauses. Die Flammen hätten den Kirchenschatz nicht erreicht. Auch die imposante Orgel in der Pariser Kathedrale Notre-Dame hat das verheerende Feuer überstanden. Die Orgel, eine der berühmtesten und größten der Welt, sei noch intakt, teilte der stellvertretende Bürgermeister, Emmanuel Gregoire, am Dienstag im Sender BFMTV mit. Das sei eine „enorme Erleichterung“, so Gregoire. Das Altarkreuz, das Goldgewand König Ludwigs des Heiligen, einige Gemälde und liturgische Geräte wurden ebenfalls in Sicherheit gebracht.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron versprach bereits am Montag den Wiederaufbau des berühmten Bauwerks und bat seine Landsleute und das Ausland um Unterstützung. „Wir werden Notre-Dame wieder aufbauen.“ Auf Twitter erklärte er, wie alle Franzosen sei er an diesem Abend traurig, „diesen Teil von uns brennen zu sehen“.

360 Millionen Euro stehen bereits für Wiederaufbau bereit

Am Morgen nach dem verheerenden Brand in der Kathedrale Notre-Dame stehen bereits 360 Millionen Euro für ihren Wiederaufbau bereit. Die Region Ile-de-France, die größtenteils dem Großraum Paris entspricht, kündigte am Dienstag eine Soforthilfe von zehn Millionen Euro an. Die Familien hinter zwei Luxusgüterkonzernen sagten zusammen 300 Millionen Euro zu. Die Stadt Paris werde sich mit 50 Millionen Euro am Wiederaufbau beteiligen, sage Bürgermeisterin Anne Hidalgo am Dienstag.

Der Brand löste auch außerhalb Frankreichs tiefe Bestürzung und heftige Emotionen aus. Notre-Dame ist eine der wichtigsten Pariser Touristenattraktionen und wird jährlich von Millionen Menschen besucht. Die Kathedrale steht im Herzen der Stadt auf der Seine-Insel Ile de la Cité, die wegen des Feuers von Sicherheitskräften abgeriegelt wurde.

Der französische Premierminister Édouard Philippe schrieb: „Unsere Traurigkeit ist unbeschreiblich, aber wir kämpfen immer noch. An diesem Abend kämpfen die Feuerwehrleute heldenhaft gegen das Feuer.“

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sprach von einem „furchtbaren Brand“ und einer „schrecklichen Prüfung“ für die Stadt, die seit 2015 eine Serie islamistischer Anschläge erlebt hat. Sie rief die Menschen über Twitter auf, die Sicherheitsabsperrungen zu respektieren.

Macron sagte wegen des Brandes eine für den Abend geplante wichtige Fernsehansprache ab und begab sich zu der Kathedrale. Macron hatte am Montagabend eigentlich im Fernsehen über die Ergebnisse einer monatelangen Bürgerdebatte sprechen wollen. Einen neuen Termin dafür teilte der Élysée-Palast zunächst nicht mit. Der Präsident hatte die „nationale Debatte“ im Januar als Reaktion auf die Proteste der Gelbwesten gestartet – nun wollte er Zugeständnisse präsentieren.
Weltweit sorgte der Brand für Entsetzen. Der Vatikan reagierte bestürzt. „Der Heilige Stuhl hat die Nachricht des entsetzlichen Brandes, der die Kathedrale von Notre-Dame, Symbol der Christenheit in Frankreich und der Welt, verwüstet hat, mit Schock und Trauer aufgenommen“, erklärte Papstsprecher Alessandro Gisotti.

Trump gibt Feuerwehr Tipps – Antwort kommt prompt

„Notre-Dame von Paris ist Notre-Dame von ganz Europa“, schrieb EU-Ratspräsident Donald Tusk auf Twitter. „Wir stehen heute alle an der Seite von Paris.“ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schrieb: „Notre-Dame gehört der ganzen Menschheit. Welch trauriger Anblick.“

Regierungssprecher Steffen Seibert twitterte im Namen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Es tut weh, diese schrecklichen Bilder der brennenden Notre-Dame zu sehen.“ Er fügte hinzu: „Notre-Dame ist ein Symbol Frankreichs und unserer europäischen Kultur. Mit unseren Gedanken sind wir bei den französischen Freunden.“ Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) teilte mit, er hoffe, dass es der Feuerwehr rasch gelingt, den Brand einzudämmen und das Wahrzeichen zu retten.

Die Chefin der UN-Kulturorganisation Unesco, Audrey Azoulay, sagte zu Reportern: „Notre-Dame ist ein Symbol für die ganze Welt.“ Die Unesco sei schon mit dem Kulturministerium und der Kirche in Kontakt. „Wir brauchen eine sehr schnelle Beurteilung der Schäden.“ Es müssten rasch „strategisch wichtige Entscheidungen getroffen werden“.

Auch US-Präsident Donald Trump zeigte sich bestürzt. Die Kathedrale sei einer der größten Schätze auf der Welt, großartiger als fast jedes Museum auf der Welt. „So schrecklich, das verheerende Feuer an der Notre-Dame-Kathedrale in Paris zu sehen. Vielleicht könnten fliegende Wassertanks eingesetzt werden, um es zu löschen. Es muss schnell gehandelt werden!“

Die Reaktion der französischen Fachleute ließ nicht lange auf sich warten: Von einem Flugzeug Wasser auf ein solches Gebäude abzuwerfen, könne zum Einsturz des gesamten Gebäudes führen, schrieb der französische Zivilschutz auf Twitter.

Kremlchef Wladimir Putin bot Frankreich Hilfe von russischen Spezialisten beim Wiederaufbau an. „Er schlug vor, die besten Experten nach Frankreich zu schicken. Sie haben große Erfahrung in der Restaurierung von Weltkulturerbe“, teilte der Kreml am Dienstag in Moskau mit.

Die Geschichte der Kathedrale reicht bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück. Die Dimensionen der im gotischen Stil konstruierten und der Jungfrau Maria geweihten Kirche mit ihren beiden majestätischen Türmen sind gewaltig: Die Kathedrale ist 127 Meter lang, 40 Meter breit und bis zu 33 Meter hoch.
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