WikiLeaks-Gründer Julian Assange in London festgenommen
London (Welt) - Wikileaks-Gründer Julian Assange ist nach fast sieben
Jahren Asyl in der Londoner Botschaft Ecuadors festgenommen worden. Die
US-Justiz hat einen Auslieferungsantrag für den Enthüllungsaktivisten gestellt,
wie die britische Polizei am Donnerstag bestätigte. Die Gefahr einer
Auslieferung an die USA ist genau das, was Assange veranlasste, in die
Botschaft zu flüchten und so lange dort auszuharren. Ecuadors Präsident Lenin
Moreno sagte zugleich, die britische Regierung habe schriftlich zugesagt,
Assange nicht an ein Land auszuliefern, in dem ihm Folter oder die Todesstrafe
drohten.
Vor der Festnahme am Donnerstag entzog die Regierung Ecuadors Assange
das diplomatische Asyl mit der Begründung, er habe gegen die Auflagen dafür
verstoßen. Die britische Polizei teilte mit, der Botschafter habe sie in die
Botschaft eingeladen. Assange solle so schnell wie möglich einem Richter
vorgeführt werden.
Ein Video der von Russland finanzierten Nachrichtenagentur Ruptly
zeigte, wie Sicherheitskräfte Assange aus der Tür der Botschaft heraus und in
ein bereitstehendes Einsatzfahrzeug zwangen.
Bisher ist unklar, was Assange in den USA vorgeworfen wird. Das
Interesse der US-Justiz wurde im vergangenen November bekannt, als Assanges
Name versehentlich in einem US-Gerichtsdokument auftauchte. Die Passage legte nahe,
dass es bereits eine Anklage gibt, sie aber unter Verschluss gehalten wird.
Wikileaks trat zunächst in Erscheinung mit der Veröffentlichung
geheimer US-Dateien, die unter anderem Menschenrechtsverletzungen und die
Tötung von Zivilisten durch amerikanische Truppen in Afghanistan
dokumentierten.
Zuletzt stand Wikileaks aber vor allem im Fokus von US-Ermittlungen,
weil die Enthüllungswebsite im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gestohlene
E-Mails der Demokratischen Partei veröffentlichte. US-Behörden gehen davon aus,
dass die E-Mails von russischen Hackern heruntergeladen und Wikileaks
zugespielt wurden. Diesen Aspekt hat auch FBI-Sonderermittler Robert Mueller in
seinem Abschlussbericht über die vermutete russische Einmischung bei der von
Donald Trump gewonnenen Präsidentenwahl festgehalten.
Wikileaks warf Ecuador am Donnerstag vor, mit der Entziehung des
politischen Asyls für Assange internationales Recht zu brechen. In einer
unmittelbar nach der Verhaftung des 47-Jährigen bei Twitter veröffentlichten
Erklärung hieß es, der ecuadorianische Botschafter habe die britische Polizei
„eingeladen“, Assange zu verhaften. Auch Moskau reagierte mit scharfen Worten
auf die Festnahme. „Die Hand der ‚Demokratie‘ erwürgt die Freiheit“, schrieb
die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bei Facebook.
Ecuadors Präsident Lenin Moreno dagegen betonte, Asyl zu gewähren oder
zu entziehen, sei Recht des Staats. Er warf Assange die Einmischung in innere
Angelegenheiten anderer Staaten sowie unhöfliches und aggressives Verhalten
vor.
Britische Regierung: „Julian Assange ist kein Held“
Großbritanniens Regierung begrüßte die Festnahme. „Julian Assange ist
kein Held, und niemand steht über dem Gesetz“, schrieb Außenminister Jeremy
Hunt auf Twitter. „Er hat sich jahrelang vor der Wahrheit versteckt.“ Die
zusätzlichen Polizeiwachen vor der Botschaft hatten die britischen Steuerzahler
über die vergangenen Jahre Millionen gekostet.
Whistleblower Edward Snowden, der im russischen Exil lebt, schrieb auf
Twitter: „Assanges Kritiker mögen jubeln, aber das ist ein dunkler Moment für
die Pressefreiheit.“ Das russische Außenministerium kritisierte die Festnahme.
Der Kreml teilte mit, er hoffe, dass die Rechte Assanges respektiert würden.
US-Schauspielerin Pamela Anderson, die den 47-jährigen mehrfach in der
Botschaft besucht hatte, schrieb: „Ich bin schockiert.“ Sie warf den Briten
vor, sie bräuchten eine Ablenkung vom „idiotischen Brexit-Mist“.
Assange bezeichnet sich selbst als Journalist und beansprucht deshalb
die für Medien üblichen Schutzklauseln, wenn es um die Geheimhaltung von
Quellen und die Veröffentlichung vertraulicher Informationen geht. Kritiker
werfen ihm vor, er sei ein Selbstdarsteller, der Menschenleben gefährdet habe.
Seine Anhänger sehen in ihm dagegen einen Aufklärer.
Als Assange in die diplomatische Vertretung flüchtete, lag gegen ihn
ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Er
befürchtete, zunächst nach Skandinavien und schließlich an die USA ausgeliefert
zu werden. Im Mai 2017 stellte die Staatsanwaltschaft in Schweden jedoch ihre
Ermittlungen ein.
Damit war Assange allerdings noch kein freier Mann, denn er hatte mit
der Flucht in die Botschaft gegen britische Kautionsauflagen verstoßen.
Scotland Yard kündigte an, den Enthüllungsaktivisten festzunehmen, sobald er
die Botschaft verlasse. Ein Versuch der Anwälte Assanges, den Haftbefehl von
einem Gericht für ungültig erklären zu lassen, scheiterte.